MIETREBELLEN – Widerstand gegen den Ausverkauf der Stadt
Ein Dokumentarfilm von Gertrud Schulte Westenberg und Matthias Coers | 78 Min.
Der Film ist ein Kaleidoskop der Mieterkämpfe in Berlin gegen die Verdrängung aus den nachbarschaftlichen Lebenszusammenhängen. Eine Besetzung des Berliner Rathauses, das Camp am Kottbusser Tor, der organisierte Widerstand gegen Zwangsräumungen und der Kampf von Rentnern um ihre altersgerechten Wohnungen und eine Freizeitstätte symbolisieren den neuen Aufbruch der urbanen Protestbewegung.
Europaweit beteiligten sich Menschen in über 60 Städten am Housing Action Day 2021. Für Stuttgart hatten wir als Aktionsbündnis Recht auf Wohnen zu einer Kundgebung im Stadtteil Heslach aufgerufen. Es gab Redebeiträge von Ursel Beck von den Mieterinitiativen zur städtischen Abrisspolitik, konkret vieler Häuser im Hallschlag. Danach folgte ein Redebeitrag von Sabine Vogel für die Initiative “Solidarische Nachbarschaft Schoettle Areal”. Auf dem großen Geände gegenüber vom Schoettle Platz befindet sich aktuell das Statistische Landesamt und Räume der Universität Stuttgart. Das Areal gehört dem Land Baden Württemberg und bereits in wenigen Jahren zieht das Statistische Landesamt aus. Die Initiative will bei der zukünftigen Nutzung nicht nur “mitreden”, sondern selbst Hand anpacken, mitgestalten, einziehen und dort Nutzungsmöglichkeiten schaffen. Mehr Infos zur Initiative auf deren Website. Thomas Adler, Stadtrat und Fraktionsvorsitzender der FrAKTION im Gemeinderat berichtete in seiner Rede von der Neugestaltung des Hofbräu Areals. Auf dem Gelände der Brauerei Hofbräu, ebenfalls in Heslach, wurde ein Teil des Areals abgerissen. Dort baut der Investor Aldi-Süd nun einen Wohnpark mit über 50 Eigentumswohnungen im höherpreisigen Sequment und dazu einen neuen Aldi Supermarkt. Zu den über 50 Eigentumswohnungen gesellen sich dann noch etwa drei Sozialwohnungen. Dieses Bauprojekt ist Teil der fortschreitenden Gentrifizierung in Heslach weil sich die neuen Mietpreise und Kaufpreise der Eigentumswohnungen nur noch wenige werden leisten können. Die Stadt Stuttgart hätte das Areal kaufen und dauerhaft bezahlbaren Wohnraum schaffen können, diese Chance hat sie wie so oft vertan und das Feld Investoren und Spekulanten überlassen. In der letzten Rede von Rosevita und Adriana, den ehemaligen Hausbesetzerinnen der Wilhelm-Raabe-Straße 4 in Heslach, wurde das Thema Leerstand und staatliche Repression angesprochen. Die Stadt verhindert keinen Leerstand von Wohnraum, sondern duldet diesen aktiv durch Nichthandeln. Gleichzeitig geht die Stadt und die Justiz mit allen Mitteln gegen Besetzungen vor, mit Zwangsräumungen, hohen Geldstrafen, dutzenden Gerichtsprozessen usw. Rosevita und Adriana machten deutlich, dass es darauf ankommt sich nicht mundtod oder einschüchtern zu lassen. Es komme darauf an zusammenzustehen, Widerstand zu leisten, weiter für bezahlbare Mieten aktiv zu sein. Aber eben auch nicht diesem Staat und seiner Justiz zu vertrauen, die vor allem die Eigentums- und Profitinteressen der Besitzenden schützen.
Bei der Kundgebung erwähnt wurde auch die besonders schwierige Situation für Wohnungsnose und Geflüchtete in Wohnheimen, Not- und Geflüchtetenunterkünften. Dort müssen sie auf engsten Raum miteinander auskommen und leben, in Zeiten der Pandemie eine Zumutung und gesundheitsgefährdend. Gleichzeitig stehen tausende Wohnungen und zehntausende Hotelbetten ungenutzt leer. Auch ein Zustand, für den dieser Staat und die Mehrheit im Gemeinderat durch Nichthandeln die Verantwortung trägt. Auch fehlt es vorne und hinten an Plätzen in Frauenhäusern, in Stuttgart sind es alleine über 90 Plätze. Denn in der Corona Pandemie hat häusliche Gewalt gegen Frauen enorm zugenommen. Auch hier bräuchte es dringend mehr Wohnraum.
Demozug durch Heslach
Im Anschluss an die Kundgebung folgte der größte Teil dem spontanen Aufruf zu einem Spaziergang durch den Stadtteil. Es waren so viele, dass sich daraus ein kleiner Demozug entwickelte. Erste Station war die Wilhelm-Raabe-Straße. Dort stehen heute mittlerweile vier Wohnungen leer. Hier wurden Plakate und Aufkleber angebracht. Ebenfalls an einem weiteren weitgehend leerstehenden Haus in der Taubenstraße. Letzte Station war das Hofbräu Areal wo es eine Durchsage gab.
In der recht kurzen Mobilisierungszeit ist es ein starkes Zeichen, dass sich 200 Menschen an der Kundgebung beteiligt haben und zeigt, dass das Thema nicht in Vergessenheit geraten darf und hier ein enorm großer Handlungsbedarf besteht.
Lange Zeit hat er selber auf der Straße gelebt, jetzt hat Dominik Bloh Deutschlands ersten Duschbus für Obdachlose in Hamburg ins Leben gerufen.
Das hätte auch in Stuttgart möglich sein können… HÄTTE! Zu den Haushaltsberatungen hatte die Die FrAKTION den Antrag gestellt für einen Hygiene- und Duschbus. Dies hätte durch den Ankauf eines entweder ausrangierten, oder sich im Betrieb befindlichen Linienbusse verwirklicht werden können. Doch dieser gute Vorschlag wurde abgelehnt. Auch SPD Stuttgart und Grüne Stuttgart haben gegen diesen Antrag gestimmt. Wir hoffen, dass sich die Meinung zu diesem Vorhaben noch ändert, insbesondere durch die positiven Erfahrungen aus San Francisco und nun aus Hamburg.
### Hier die Begründung vom Antrag der FrAKTION ###
Nach Schätzungen der „Liga der Wohlfahrtspflege Stuttgart“ vom Frühjahr 2019 gibt es in Stuttgart schätzungsweise zwischen 100 und 150 obdachlose Menschen. Darunter sind Menschen zu verstehen, die „auf der Straße“ leben. Obdachlose haben keine Duschen, aber sie haben – wie andere Menschen auch – ein Hygienebedürfnis. Dafür gibt es in Stuttgart bereits zentrale Anlaufstellen mit kostenlosen Waschmöglichkeiten und Kleiderstuben. Diese können mit dem „Badezimmer auf Rädern“ nun sinnvoll ergänzt werden. Der Hygienebus soll obdachlosen Menschen die eigene Körperreinigung erleichtern. In San Francisco rollt seit mehreren Jahren ein Duschbus für Obdachlose durch die Stadt. In Hamburg startet voraussichtlich im Jahr 2020 ein vergleichbares Projekt, bei dem ein Hygienebus an drei Tagen die Woche für fünf Stunden stadtweit im Einsatz ist. Der Bus fährt dorthin, wo Duschen gebraucht werden und dessen Nutzung ist kostenlos. Mit einem Hygienebus kann die Stadt dabei helfen, obdachlosen Menschen ihre Würde und ihr Selbstwertgefühl zurückzugeben.
Den vollständigen Antrag der FrAKTION für einen Hygienebus gibts hier: https://soeslinkeplus.de/wp-content/uploads/2019/10/soziales-und-inklusion-dhh-2020-21-die-fraktion.pdf?fbclid=IwAR1v3isxZwzdKrEegDgwlub-5ut_ZdPYRFxOSY9jw0GMl4ydRseJjaxSgjM
“ZDFzoom” hat aufgebrachte Mieter in ganz Deutschland getroffen. Ihre Kritik: Statt regelmäßig instand zu halten, werde teuer modernisiert, werde etwa Fahrstühle, Balkone und Wärmedämmung investiert. Doch das müssen die Bewohner über höhere Mieten bezahlen.
Denn jedes Jahr können über die Modernisierungsumlage elf Prozent der Investitionskosten auf die Kaltmiete aufgeschlagen werden, so sieht es das Gesetz vor. Die Folge: Mietsteigerungen im dreistelligen Euro-Bereich – für viele Mieter kaum zu stemmen. Davon profitierten vor allem die Immobilienkonzerne, die kräftige Renditen an ihre Aktionäre weiterreichen, so die Kritik von Experten und Verbänden. “ZDFzoom” fragt: “Steigende Miete und Spitzenrendite – Wer stoppt die Immobiliengiganten?”
“ZDFzoom”-Reporter Detlef Schwarzer spricht mit Mietern, sucht Antworten bei der Politik, den beiden größten Immobilienkonzernen in Deutschland – Vonovia und Deutsche Wohnen – und befragt Wirtschaftsexperten. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse stützen die Kritik der Mieter. Professor Kofner von der Hochschule Zittau-Görlitz, einer der führenden Experten für Immobilienwirtschaft in Deutschland, hat Zahlen aus Mietverträgen nach Modernisierungen hochgerechnet. Sein Fazit: Für die Wohnungsunternehmen sei die Modernisierungsumlage wie eine Lizenz zum Gelddrucken, “der Dumme ist der Mieter”.
Die ehemaligen Besetzer*innen der Wilhelm-Raabe-Straße wurden von den Hausbesitzer*innen verklagt und müssen nun die Räumungskosten in Höhe von 11.200 Euro bezahlen. Damit die zwei Familien diese Summe nicht alleine tragen müssen, wurde von einem Solidaritäts-Kreis eine Spendenkampagne ins Leben gerufen um die Familien zu unterstützen.
Innerhalb kurzer Zeit wurde das Spendenziel erreicht und nicht nur das – es gingen insgesamt 13.525 Euro an Spenden ein, also sogar mehr als die zu deckenden Räumungskosten. Über 140 Menschen haben gespendet, direkt per Überweisung auf das Spendenkonto, oder online über die Plattform betterplace.org. Das ist ein Starkes Zeichen der Solidarität. Die 2.325 Euro Mehreinnahmen der Spendenkampagne sollen nun für die Anwaltskosten, die Solidaritätsarbeit und potentiell weitere Verfahren genutzt werden. Denn die Eigentümerfamilie Passy verfolgt bis heute (!) die Strategie, Besetzer*innen, Unterstützer*innen und die letzte im Haus verbliebene Familie mit Klagen zu überziehen.
Die große Spendenbereitschaft und Solidarität – auch fast drei Jahre nach der Hausbesetzung macht Mut und gibt Kraft. Wir bleiben weiterhin aktiv für bezahlbare Mieten, eine lebenswerte Stadt und ein Ende von Leerstand.
In der Wilhelm-Raabe-Str. 4 in Heslach sind seit dem 28. April zwei Wohnungen besetzt. Die Wohnungen die vorher leerstanden, sind nun belebt und bieten Raum für zwei Familien die dort eingezogen sind. Ein Fernsehteam vom ZDF hat das Besetzerkollektiv der Wohnungen begleitet und interviewt. Den Beitrag gibt es hier in der Mediathek vom ZDF. Mehr Infos zu den Wohnungsbesetzungen finden sich hier: www.leerstand-beleben.tk
Die Stadt rollt einigen Immobilienhaien mal wieder den roten Teppich aus. Dagegen organisieren wir am 1. Juli eine Protestkundgebung mit Aktionen vor dem Rathaus.