StZ: Geisterhäuser trotz akuter Wohnungsnot
Leerstehendes Haus in Plieningen – Ein direkter Anwohner lebt seit zehn, ein anderer seit 14 Jahren dort. Beide eint: Seit sie dort wohnen, steht das Haus leer. Unerträglich!
Leerstehendes Haus in Plieningen – Ein direkter Anwohner lebt seit zehn, ein anderer seit 14 Jahren dort. Beide eint: Seit sie dort wohnen, steht das Haus leer. Unerträglich!
Das erste Schreiben erreicht Angela Gerace Ende Juni vergangenen Jahres. “Bitte überweisen Sie die Miete ab 1.7.2018 auf das neue Konto”, teilt die Schwäbische Bauwerk kurz mit. Damit war klar, dass es einen neuen Hauseigentümer gibt. Im Oktober liegt der zweite Brief im Kasten. Wenn keine Zustimmung für die Mieterhöhung erfolge, “sehen wir uns gezwungen eine Klage beim Amtsgericht einzureichen”. Da ist der Tonfall schon ein anderer.
Frau Gerace, 72 Jahre alt, lebt seit 1970 in der Reinsburgstraße 65. Es war Oktober, daran erinnert sie sich noch, als sie eingezogen ist. 1971 wird ihre Tochter Sandra geboren. Jetzt steht sie, zusammen mit Nachbar Erwin Dobler, aufgelöst in ihrer Wohnung und rekonstruiert die Ereignisse.
Damals seien die alten Vermieter sehr nett gewesen, erzählt sie. Als das Ehepaar bei einem tragischen Unfall verunglückte, waren die Mieter von Nummer 65 nahezu geschlossen bei der Beerdigung. Auch der letzte Eigentümer sei ein netter Mann gewesen, der häufig zum Kaffee kam, ein Tierliebhaber, der die drei “Hundle” der Geraces ins Herz geschlossen hatte. Aber verabschiedet hat er sich nicht, das nimmt ihm Frau Gerace ein bisschen übel.
Monatelang hat das Team Wallraff verdeckt bei VONOVIA und anderen Immobilienhaien ermittelt und die skandalösen Machenschaften in einer RTL-Sendung öffentlich gemacht. Der Mieterverein Witten zeigt VONOVIA wegen Betrug an.
Bei VONOVIA wurde bei Modernisierungen in Witten und Dortmund festgestellt, dass Bauteile bei der Mieterhöhung als Kosten aufgeführt wurden, die nicht eingebaut wurden. In einem Fall wurde ein neuer Heizkessel eingebaut und keine neuen Heizkörper. Laut eines Heizungsexperten kann diese Heizung nicht funktionieren.
Team Wallraff: Heizungs-Experte stößt auf Mietkosten-Pfusch – „Vonovia“ gibt Abrechnungsfehler zu
München, Hamburg, Stuttgart, Frankfurt – in diesen deutschen Großstädten müssen Studierende am meisten für eine WG-Unterkunft zahlen. In München wurde gar die Marke von 600 Euro für ein WG-Zimmer überschritten. Es sind nicht nur Studierende, die suchen.
München ist die Nummer eins. Auf Platz drei folgt – nach Hamburg – bereits Stuttgart. Die so genannten Metropolen dürften auf ihre Spitzenplätze nicht sonderlich stolz sein, denn es handelt sich um die Rangliste der Städte, in denen Studierende die größten Probleme haben, eine passende Unterkunft zu finden. „Vor allem an Standorten, die ohnehin gefragt sind, spitzt sich die Lage weiter zu“, urteilt Stefan Brauckmann, Direktor des Moses-Mendelssohn-Instituts. Beispiel München: Hier zahlen Studierende für eine Unterkunft in einer Wohngemeinschaft (WG) im Schnitt mittlerweile 600 Euro, 30 Euro mehr als im Vorjahr. In Stuttgart sind nach dieser Berechnung mittlerweile 450 (Vorher: 420) Euro fällig. Das Mendelssohn-Institut in Berlin hat nach eigenen Angaben alle 96 deutschen Unistädte mit mehr als 5000 Studierenden unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse hat das Institut am Montag veröffentlicht.
Am preiswertesten ist es demnach in Chemnitz, wo im Schnitt 230 Euro für eine WG-Unterkunft fällig werden. In vier weiteren Städten, die allesamt in den neuen Bundesländern liegen, finden junge Menschen noch eine Unterkunft für unter 250 Euro. Dies ist die laut Bafög-Satz angesetzte Wohnkostenpauschale. Zu den günstigen Hochschulstädten gehören Wismar, Cottbus, Ilmenau und Freiberg/Mittweida.
Dagegen sei es in Städten wie Düsseldorf, Braunschweig, Karlsruhe, Augsburg, Heilbronn, Würzburg, Reutlingen und Mannheim spürbar schwieriger geworden, eine Wohnung zu finden. Auch Tübingen, Freiburg und Konstanz gehören zu den Städten im Land, in denen Studenten Spitzenmieten zahlen müssen. Dabei sind WG-Zimmer noch am preiswertesten. „Wer in eine eigene Wohnung zieht, muss in allen Städten erheblich mehr zahlen“, sagt Annegret Mülbaier, von WG-Gesucht.de.
„In vielen Städten sind die Grundstücks- und Immobilienpreise einfach zu hoch, um im privaten Segment noch Mieten darzustellen, die ins studentische Budget passen“, sagt Brauckmann. „Und die finanzielle Förderung von Bund und Ländern ist dort bisher kaum ein ausreichender Anreiz, doch zu bauen.“ Die Engpässe an Studentenzimmern haben nicht zuletzt mit der wirtschaftlichen Entwicklung in der Region zu tun. Dort, wo die Wirtschaft besonders gut laufe und viele Menschen zudem wegen der Attraktivität von Kultur- und Freizeitangebot in die Stadt ziehen, sei die Konkurrenz für die Studenten bei der Wohnungssuche besonders groß. Denn auch Auszubildende, Trainees und Berufsanfänger suchten die klassische Ein- bis Zwei-Zimmerwohnung. Zudem gebe es Pendler mit einem Zweit-Domizil in der Stadt. Und nicht zuletzt sei in den begehrten Städten die Zahl internationaler Gäste und Arbeitskräfte gestiegen. Wohnheime für Studierende könnten zur Entspannung beitragen. Nur – für nicht mal jeden zehnten Studierenden steht eine subventionierte Unterkunft zur Verfügung.
Allerdings sind Studenten bei der Wohnungssuche durchaus wählerisch. „Sie haben ganz genaue Vorstellungen von ihrem Lebensumfeld“, so Brauckmann. Obwohl ihre Budgets belastet sind, „ziehen sie nicht automatisch in günstige Quartiere“, schreibt das Mendelssohn-Institut. Für eine entsprechende Lage mit gutem Angebot an Kneipen, Kultur und anderen passenden Freizeitangeboten seien sie bereit, bei Ausstattungsmerkmalen oder Größe der Wohnung Kompromisse einzugehen.
Im folgenden dokumentieren wir die Stellungsnahme und Erklärung der BesetzerInnen (Quelle):
Wir haben soeben das Haus in der Forststraße 140 besetzt. Nach einer Kundgebung gegen Modernisierungsvertreibung in der Forststraße 168 haben wir festgestellt, dass wenige Meter weiter ein Haus bereits seit Jahren leersteht. Die Türen standen offen. Es wäre unverantwortlich gewesen, diesen Zustand weiter andauern zu lassen. Wir werden erst einmal bleiben um auf den unsinnigen Leerstand bei gleichzeitiger Verdrängung in Stuttgart aufmerksam zu machen. Wir fordern, dass die Wohnungen in dem mehrstöckigen Haus mit über 20 leerstehenden Zimmern unverzüglich in bezahlbaren Wohnraum umgewandelt werden. Zwei Nachmieterinnen haben sich gefunden: Tanja und Rosevita würden hier sehr gerne einziehen.
Derzeit findet im besetzten Haus ein Fest mit mehr etwa 100 Menschen statt. Kommt vorbei, beteiligt euch und besichtigt die Wohnungen!
Leerstand seit zig Jahren
Das Haus in der Forststraße 140 steht bereits seit etlichen Jahren leer, dies haben uns mehrere Nachbarn bestätigt. Wie lange genau, wissen wir nicht. Der Zustand der Wohnungen lässt vermuten, dass die schönen Altbauwohnungen möglicherweise bereits seit über 10 Jahren leerstehen. Die Wohnungen sind größtenteils renovierungsbedürftig, so sind teilweise Böden herausgerissen, ein neuer Anstrich wäre ebenfalls nötig. Alles in allem aber kein unmachbarer Aufwand. Vielleicht könnten potentielle neue BewohnerInnen das sogar selbst erledigen.
Fakt ist: Häuser verfallen langsam aber sicher, wenn sie nicht bewohnt werden. Es wäre eine Schande, wenn auch dieses Haus dieses Schicksal ereilen würde.
Wer Eigentümer ist, konnten wir noch nicht herausfinden. Es ist auch egal. Dieses Haus wird nun wieder belebt. Alles andere wäre Wahnsinn!
Wohnraum für Betroffene von Verdrängung
Zwei Frauen würden in Wohnungen der Forststraße 140 gerne einziehen: Die eine ist Tanja Klauke. Sie wohnt bisher ein paar Meter weiter in der Forststraße 168 und wird wohl bald ausziehen müssen. Der Grund: Sie wohnt bisher zu einer leistbaren Miete – für Stuttgarter Verhältnisse sogar recht günstig: 488,30 Euro für 66 Quadratmeter. Ihre Vermieterin, die Stuttgarter Immobilienfirma „Schwäbische BauWerk GmbH“ hat ihr im Winter eine „Modernisierungsankündigung“ geschickt. Ihre Wohnung soll sich über lange Zeit in eine Baustelle verwandeln, dann soll sie 1155,24 Euro Miete zahlen. Das kann sich die Die 44-jährige Krankenpflegerin im Katharinenhospital aber nicht leisten. Dabei ist die Wohnung noch gut in Schuss, ein paar Kleinigkeiten könnte man schon richten, notwendig ist eine Generalsanierung aber bei Weitem nicht. Tanja würde zu gleichen Konditionen wie bisher in eine der bisher leerstehenden Wohnungen ziehen.
Das Vorhaben der „Schwäbische BauWerk GmbH“ wird sich leider kaum verhindern lassen. Darum ist Tanja schon jetzt auf der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung. Für ein Krankenpflegerinnenlohn ist das in Stuttgart aber keineswegs einfach. Zuletzt Schlagzeilen machte der Fall des Klinikums-Personalwohnheims am Prießnitzweg. Auf dem Gelände soll neu gebaut werden, danach werden viele Mieten kräftig erhöht. Das ist also auch keine Option. Gerade in Zeiten von Überlastung, niedrigen Löhnen und Personalmangel in der Pflege zeigt ihr Fall, welche dramatischen Folgen die Neoliberalisierung von Gesundheit und Wohnungsbau haben.
Die andere Frau, die in eine Wohnung einziehen würde, ist Rosevita Thomas. Die alleinerziehende Mutter eines zehnjährigen Sohnes wurde bereits vor über einem Jahr aus ihrer Wohnung im Westen geworfen, angeblich aus Eigenbedarf. Heute ist in der Wohnung ein Architektenbüro. Sie besetzte im Frühjahr letzten Jahres eine von zwei Wohnungen in der Wilhelm-Raabe-Straße 4 in Stuttgart Heslach. Nach einem Monat wurde sie zwangsgeräumt, die Wohnungen dort stehen immer noch leer und Rosevita muss sich seitdem mit ihrem Sohn ein kleines Zimmer bei ihrer Schwester teilen. Fündig ist sie auf dem Stuttgarter Wohnungsmarkt seitdem nicht geworden. Eine Wohnung in der Forststraße 140 wäre für die beiden optimal, sie hätten wieder eine eigene Bleibe in ihrer früheren Nachbarschaft.
Ein riesiges Problem
Die Geschichten von Tanja und Rosevita sind keine Einzelfälle. Wie ihnen geht es Tausenden Menschen allein im Großraum Stuttgart. Ihre Fälle erzählen so vor allem die Geschichte eines riesigen sozialen Problems dem PolitikerInnen und Immobilienmarkt nichts entgegenzusetzen haben. Die Antworten, die sie geben, bauen auf Zuschüsse für Immobilienfirmen und wirkungslose Reformen. Die Mietpreisbremse etwa wirkt nicht, das Baukindergeld erreicht die wirklich Bedürftigen nicht und spült nur noch mehr Geld in die Taschen von Bauunternehmen. Einfach nur mehr zu bauen ist zu kurz gedacht, wer kann sich schon Neubaumieten leisten? Der Bau von Sozialwohnungen zielt ebenfalls auf Bezuschussung von gewinnorientierten Unternehmen. Die Mieten für solche Wohnungen sind zwar etwas günstiger, fallen aber in der Regel aber 15 bis 20 Jahren wieder aus der Mietpreisbindung.
Die Geschichten von Rosevita und Tanja zeigen auf, wie Frauen im Besonderen von dem Problem betroffen sind. Tanja arbeitet im Pflegesektor, in dem die Löhne wesentlich niedriger sind als in vorwiegend von Männern ausgeübten Berufen. Auch Alleinerziehende, wie Rosevita, haben es erfahrungsgemäß schwerer bei der Wohnungssuche. Gerade angesichts des gestrigen Frauenkampftags, an dem auch in Stuttgart Hunderte auf die Straße gegangen sind, ist dieser Aspekt noch einmal besonders hervorzuheben.
Was wir wollen
Erst einmal haben wir keine großen Erwartungen an Politik und Investoren. Sie haben über Jahre des Wirtschaftens für Profitinteressen statt für Menschen die Wohnungskrise erst verursacht. Heute sind sie nicht fähig – noch willens – dieses Problem zu lösen. Darum appellieren wir an alle Menschen, selbst aktiv zu werden. So wird es am 6. April eine große Mietendemo in Stuttgart gebenum zu zeigen, wie viele Menschen wütend auf die Situation auf dem Wohnungsmarkt sind. Dort wird es den BESETZEN-Block als Teil der Demo geben mit welchen noch einmal explizit die Ursache der Wohnungskrise (und vieler anderen Krisen), der Kapitalismus, thematisiert werden soll. Beteiligt euch daran!
Es gilt: Wenn nicht viele Menschen selbst aktiv werden und sich langfristig zusammenschließen, wird sich gar nichts ändern. Dennoch fordern wir bezogen auf das besetzte Haus eine, eigentlich ganz selbstverständliche Sache: Die Wohnungen müssen in bezahlbaren Wohnraum umgewandelt werden. Eine Renovierung ist sicher notwendig, eine Luxussanierung darf es aber nicht geben. Und natürlich sollen Tanja und Rosevita hier einziehen.
Besonders sehen wir die Stadt hier in der Verantwortung sich sofort und mit allen Mitteln dafür einzusetzen. Es sei an dieser Stelle auch an die seit 2016 geltende Zweckentfremdungssatzung erinnert, die jedoch bis dato in keiner Weise wirksam durchgesetzt wurde. Im konkreten Fall der Forststraße 140 wäre daher die Enteignung ein gerechtfertigtes, wirksames und signalstarkes Mittel. Einige der aktuell 4700 auf der städtischen Warteliste für eine Sozialwohnung stehenden wohnungssuchenden Haushalte würden es sicher danken!
Website und Infoportal: www.leerstand-beleben.tk
In Stuttgart zeichnet sich ein neuer Trend ab: Wo wenig Miete bezahlt wird, sollen alte Häuser teuren Neubauten weichen. Häufig helfen Vermieter mit Geld nach, um Mieter loszuwerden. Doch manchmal treten plötzlich Schäden auf – der Mieterbund glaubt an mutwillige Zerstörung.
Uzbee Mohideen hat seine Hände tief in die Taschen seiner beigefarbenen Jacke gesteckt. Er steht vor dem Haus, in dem er seit 16 Jahren wohnt. Doch jetzt wird das Heim, das er sich in seiner kleinen Wohnung im Stuttgarter Stadtbezirk Weilimdorf aufgebaut hat, plötzlich bedroht. Mohideen, seine Frau und seine beiden Kinder sollen ausziehen. Nicht freiwillig. Die Familie soll dazu regelrecht gezwungen werden.
Der Eigentümer des Mehrfamilienhauses hat Räumungsklage gegen Uzbee Mohideen und die anderen Mieter im Haus eingereicht. Die Begründung: Man sei „an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung gehindert“. So steht es in dem Gerichtspapier, das unserer Redaktion vorliegt. Kurz gesagt bedeutet das: Dem Eigentümer reicht die Miete nicht, die er derzeit aus den vier vermieteten Wohnungen bekommt.
Die Bewohner aber wollen nicht gehen, ihre Wohnungen nicht einfach so hergeben. In der Folge sind urplötzlich Beschädigungen am Haus aufgetreten: Der Kellerzugang etwa wurde mit Bauschutt und Erde zugeschüttet, die Haustür verschwand, die Regenrinne wurde zerstört – Wasser dringt ungehindert ins Haus. „Man will die Menschen zum Auszug zwingen, indem man ihnen das Leben unmöglich macht“, glaubt der Landesvorsitzende des Mieterbundes, Rolf Gaßmann. „Der Vermieter will die Bewohner zermürben.“ Laut Mieterbund handelt es sich nicht um einen Einzelfall.
Das Haus in Weilimdorf hat den Eigentümer gewechselt. „Damit hat unser Ärger angefangen“, erzählt Mohideen. Aus der Räumungsklage geht hervor, dass die Familie Mohideen, dem Willen der neuen Eigentümer nach, zum 30. Juni 2018 hätte auszuziehen sollen. Die Bewohner aber haben sich gegen die Kündigung gewehrt – der Fall wird im Dezember vor Gericht entschieden. Auch die anderen drei Mietparteien im Haus werden ihren Vermieter wohl das nächste Mal vor Gericht wiedersehen.
„Ich kann verstehen, dass man hier neu bauen will“, sagt Mohideen nüchtern. Was dem Familienvater aber zu schaffen macht, sind die Schäden am Haus, die den Aussagen der Mieter zufolge erst aufgetreten sind, als die Bewohner sich weigerten, ihre Wohnungen zu verlassen. Ein Beispiel: Ein Foto aus dem Juli dieses Jahres zeigt eine intakte, breite Hofeinfahrt. Inzwischen aber ist der Beton aufgebrochen, rostige Rohre ragen aus dem Erdreich hervor, der Weg zwischen Haus und Bauzaun ist schmal. Für einen Kinderwagen fast zu schmal. „Am Haus wurden Dinge einfach kaputt gemacht“, sagt Mohideen verärgert.
Heute stellt sich das Bild vor Ort so dar: Am Hauseingang befindet sich eine Tür ohne Schloss. Mit der alten, abschließbaren Tür wurde das Kellerfenster von außen blockiert. Kein Licht dringt mehr ins Untergeschoss. Der äußere Zugang zum Keller wurde mit Bauschutt und Erde zugeschüttet. Im Treppenhaus gibt es kein Licht mehr, die Klingelanlage wurde abgebaut. Die Regenrinne oberhalb des früheren Kellerzugangs wurde durchtrennt. Wasser kann nun ungehindert in den Keller laufen. Der Mieterverein will den Vermieter mit juristischen Mitteln dazu bringen, die dringlichsten Schäden zu beseitigen – auch hier wird die Entscheidung wohl erst vor Gericht fallen.
Trotz mehrfacher und ausführlicher Anfragen unserer Zeitung wollte sich der Eigentümer der Immobilie, die Firma Hermann Wohnbau mit Sitz in Kornwestheim, nicht zu den Vorgängen äußern. Fragen, wer die Schäden am Haus verursacht haben könnte oder ob die Probleme zeitnah behoben werden, bleiben unbeantwortet.
Dem Internetauftritt des Vermieters zufolge ist die Unternehmensgruppe neben der Immobilienentwicklung noch in weiteren Geschäftsfeldern aktiv – etwa im Management von Profiboxern. Und: auf der Internetseite des Vermieters wird unter der Adresse in Weilimdorf bereits ein Neubauquartier mit Namen „neue Grüne Mitte“ beworben. Das Objekt sei „in Planung“, heißt es da. Zudem hat die Firma nach Informationen unserer Zeitung den ersten Bauantrag für einen Neubau samt Tiefgarage anstelle des alten Mehrfamilienhauses beim Baurechtsamt der Landeshauptstadt bereits im Februar 2018 gestellt – lange bevor Familie Mohideen und die anderen Bewohner des Hauses hätten ausziehen sollen.
Nach Aussage von Mieterbund-Chef Gaßmann ist der Fall ein extremes Beispiel für eine aktuelle Entwicklung am Wohnungsmarkt. „Ältere Häuser in guter Lage werden abgerissen, um dort ertragreiche, neue Wohnanlagen erstellen zu können“, sagt er. Das Problem von Mietern, die ihre angestammte Umgebung nicht verlassen wollen oder können, wird laut Rolf Gaßmann in vielen Fällen mit Geld gelöst. „Beim Bau und dem anschließenden Verkauf oder der Vermietung neuer Wohnungen springt in der Regel genug raus, damit der Bauträger den bisherigen Mietern eine großzügige Abfindung zahlen kann“, sagt er. Aber: „Rabiates Vorgehen wie in dem Fall in Weilimdorf beobachten wir leider immer öfter.“
Mit Blick auf die Räumungsklagen gegen die Mieter aus Weilimdorf gibt sich Gaßmann zuversichtlich. „Es gibt ganz wenige Fälle, bei denen mangelnde Wirtschaftlichkeit eine Kündigung rechtfertigt“, sagt er. Das sei besonders dann der Fall, wenn der Kauf der Immobilie noch nicht lange zurückliege, so Gaßmann. „Niemand wird gezwungen, ein vermietetes Wohnhaus zu kaufen. Zudem kann man sich vorab über die Höhe der Mieten und damit über die Wirtschaftlichkeit informieren“, sagt er. Ähnlich argumentiert der Anwalt der Familie Mohideen. „Der Kündigungsgrund entsteht überhaupt erst mit der Veräußerung und erst beim Erwerber“, heißt es in der offiziellen Antwort auf die Räumungsklage.
Uzbee Mohideen hat sich mit seiner Familie trotzdem auf Wohnungssuche gemacht. „Ich habe mehr als 300 Bewerbungen geschrieben“, berichtet der Familienvater. Auf die meisten Anschreiben habe er jedoch keine Antwort erhalten, erzählt er. Und: „Selbst mit einem guten Gehalt ist es kaum möglich, eine Wohnung zu finden.“ Die einzigen Angebote, bei denen Mohideen in die engere Auswahl gekommen ist, hätten das Budget der vierköpfigen Familie komplett gesprengt. Und auch die anderen Mieter des Hauses sind nach eigener Aussage verzweifelt auf der Suche nach einer neuen Bleibe.
In der Räumungsklage des neuen Eigentümers heißt es dazu: „Auch ist die lapidare Begründung, der Beklagte (hier ist die Familie Mohideen gemeint) habe trotz intensiver Wohnungssuche keine Ersatzwohnung finden können, für einen Sozialwiderspruch nicht ausreichend.“ Sollte der Vermieter mit dieser Rechtsauffassung bei der Gerichtsverhandlung im Dezember erfolgreich sein, würden die Mohideens und die anderen Bewohner des Hauses auf der Straße stehen. In einem solchen Fall könnte die Familie bei der Stadt um eine Notunterkunft bitten. „Das will ich vermeiden“, sagt Mohideen. „Ich arbeite seit 25 Jahren bei einem großen Autohersteller in der Region. Ich will nicht, dass die Stadt mir helfen muss.“
Das größte deutsche Wohnungsunternehmen Vonovia hat das Zeug, mit seiner Politik, über Modernisierungen das Mietpreisniveau in ihren Immobilien zu heben, Stuttgart 21 als Feindbild Nummer 1 für Teile der Stadtgesellschaft abzulösen. Sowohl bei einer Info-Veranstaltung am Freitag im Gewerkschaftshaus mit 100 erbosten Mietern als auch beim „Mietenpolitischen Ratschlag“ der Linken von Bund und Stadt am Samstag im Rathaus wurde das Potenzial deutlich, das bei einer optimierten Informationspolitik und besserer Vernetzung von Mietern, deren Initiativen, von Mietervereinen und Parteien gehoben werden könnte.
Viele Teilnehmer, die sich mit Schauergeschichten über ihren Vermieter zu überbieten versuchten, hatten bis zur Veranstaltung nicht einmal geahnt, wie groß der Kreis von Leidensgenossen ist; dass es fachliche Hilfe und tausend Möglichkeiten gibt, sich erfolgreich zu wehren. Was sie allerdings an dem Abend verstanden haben: dass sich Widerstand organisieren lässt.
Kritisiert wurde aber nicht nur Vonovia mit seinen mehr als 400 000 Wohnungen, sondern auch die Politik, denn sie nutze ihre Möglichkeiten nicht, die Vermieter in ihre Schranken zu weisen und ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Der Mietervereinsvorsitzende Rolf Gaßmann hält eine maximale Mietpreiserhöhung in Höhe der Inflationsrate für ausreichend, Ursel Beck von der Stuttgarter Mieterinitiative fordert einen Mietpreisstopp, und der Linken-Bundesparteichef Bernd Riexinger sagte, langfristig müsste die Mieten sogar wieder sinken. OB Fritz Kuhn (Grüne), so heißt es in einem Flugblatt, breite den Immobilienhaien dagegen den „roten Teppich“ aus. Über Vonovia habe er sich jedenfalls noch nicht kritisch geäußert.
Knut Unger, Mietervereinsmitarbeiter aus Nordrhein-Westfalen, nimmt dagegen kein Blatt vor den Mund. Er spricht von „systematischer Täuschung“ der Mieter. So sei jede Betriebskostenabrechnung falsch, und das Jahr für Jahr. Er rührt mittlerweile nicht mehr nur bundes-, sondern europaweit die Werbetrommel, um den Widerstand besser zu vernetzen.
Auch der Protest gegen Stuttgart 21 sei so entstanden, hieß es bei diesen Veranstaltungen. Bernd Riexinger träumt schon „von 100 000 Menschen vor dem Kanzleramt“, die für drastische Maßnahmen gegen die Wohnungsnot protestieren. Die anstehenden Kommunalwahlen bieten aus Sicht der Mieterinitiativen die Chance, den Druck auf die Parteien zu erhöhen.
Weil sich allein im Nordbahnhofgebiet 1300 von rund 2300 Wohnungen der Vonovia befinden, hat die Fraktionsgemeinschaft von SÖS/Linke-plus vor der Sommerpause vorsorglich beantragt, Milieuschutzsatzungen für das Gebiet Friedhof- und Mönchstraße zu beschließen. In einem Hochhaus außerhalb des Satzungsgebiets hatten Mieter die Modernisierungen nicht verhindern können. Nun müssen sie auf einer Großbaustelle leben und hinterher mehr Miete bezahlen. Für viele bedeutet so eine Maßnahme den K. O., da die Kosten auf die Miete aufgeschlagen werden dürfen. Nach etwa elf Jahren ist die für den Vermieter steuerlich absetzbare Maßnahme zur Werterhöhung vom Mieter finanziert. Er muss den Erhöhungsbetrag aber immer weiter bezahlen. So will es der Gesetzgeber.
Die Stadt wird alle möglichen Quartiere mit umfassendem Eigentum der Vonovia auf Indikatoren untersuchen, die eine Veränderung erwarten lassen. Für CDU-Stadtrat Philipp Hill ist die Milieuschutzsatzung ein „stumpfes Schwert“, weil sich nur Luxussanierungen verhindern ließen. Tatsächlich muss eine Modernisierung genehmigt werden. Sie gilt als sinnvoll und anmessen, sofern nur eine „durchschnittliche Wohnung zeitgemäß ausgestattet wird oder die Mindestanforderungen der Energieeinsparverordnung erfüllt werden sollen. In Berlin verärgern die Bezirke aktuell die Vermieter mit eigenen Kriterien und definieren selbst, welche Ausstattung zeitgemäß erscheint. Ob die Beamten damit vor Gericht durchkommen, ist unklar.
Knut Unger, der Stachel im Fleisch von Vonovia, hat bei seinem Vortrag über die Möglichkeiten, dem Vermieter die Stirn zu bieten und ihn trotz Drohbriefen und anrückenden Handwerkern mit legalen Mitteln alt aussehen zu lassen, in staunende Gesichter geblickt. „Das habe ich alles nicht gewusst“, sagte eine Frau aus Ostfildern, der seit Monaten das Wasser durch die Decke tropft. Sie kündigte an, sofort alle Nachbarn zu informieren und zu mobilisieren.