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Protest gegen Vonovia – Rentnerin soll 63 Prozent mehr Miete zahlen
Das Immobilienunternehmen Vonovia plant in Stuttgart die Modernisierung hunderter günstiger Wohnungen. Die Mieten steigen danach kräftig. Es hagelt Vorwürfe und Proteste – doch es gibt keine rechtliche Handhabe.
Stuttgart – Ursula Kienzle blickt fassungslos auf das Schreiben in ihrer Hand. Ihr Vermieter, das Bochumer Wohnungsunternehmen Vonovia, teilt ihr mit, dass das Hochhaus in der Friedhofstraße, in dem sie lebt, modernisiert wird. „Unsere Kunden sollen sich bei Vonovia wohlfühlen“, heißt es in dem Brief, den die 80 Mieter bekommen haben. Von Juni bis Februar soll einiges gemacht werden – von der neuen Sprechanlage bis zum Austausch der Aufzugskabinen.
Doch die helle Begeisterung ruft das bei den Bewohnern des Gebäudes am Rande des Nordbahnhofsviertels nicht hervor. „Das ist eine Luxussanierung, die die Kosten hochtreibt“, sagt Ursula Kienzle. Denn Teile der Baumaßnahmen werden auf die Mieter umgelegt.
Die Rentnerin soll künftig statt 417 Euro Kaltmiete für ihre 53 Quadratmeter große Wohnung 653,40 Euro bezahlen. Eine Steigerung um satte 63 Prozent. „Das kann ich mir nicht leisten. Ich wüsste dann nicht wohin, denn eine andere günstige Wohnung zu finden, ist aussichtslos.“ So geht es hier vielen.
Für die Rentnerin, die in den 17 Jahren an dieser Stelle diverse Eigentümerwechsel erlebt hat, ist die Vonovia „die schlimmste Heuschrecke von allen“. Und sie ärgert sich über die Politik: „Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Solchen Konzernen müsste man das Handwerk legen. Doch die Regierung schaut nur zu.“ Und auch Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn kommt nicht gut weg: „Bei dem passiert in Sachen Wohnungsmarkt gar nichts.“
Vonovia plant nicht nur eine Modernisierung in der Friedhofstraße. Von ihren in Stuttgart bewirtschafteten 4606 Wohnungen sollen allein in diesem Jahr 279 modernisiert werden – auch in der Augsburger Straße samt Aufstockung der Gebäude oder in der Nagoldstraße. Das Problem dabei: Aus günstigen Wohnungen, die in Stuttgart Mangelware sind, werden teure.
Protestaktion am Dienstag
Derzeit formiert sich bundesweit Protest. Am Dienstag, dem Vorabend der Hauptversammlung der Vonovia, sind an mehreren Orten Kundgebungen angekündigt. In Stuttgart rufen eine Mieterinitiative und der Mieterverein um 18 Uhr zur Protestversammlung vor dem Hochhaus Friedhofstraße 11 auf. Vorwürfe gibt es viele. So soll sich das Unternehmen auch nicht an die Mietpreisbremse halten und Wohnungen überteuert anbieten. „Bei der Vonovia geht es um Maximierung der Rendite auf Kosten der Mieter“, sagt der Mietervereinsvorsitzende Rolf Gaßmann. „Für die Menschen, meist einfache Leute und Rentner, ist das eine Katastrophe. Die will man raushaben“.
Rechtlich dagegen vorzugehen ist schwierig. Bei Modernisierungen legt der Mieterverein häufig Sozialwiderspruch gegen die Mietsteigerungen ein. Ein schwieriger Weg. Selbst bei Überschreiten der Mietpreisbremse gibt es aber kaum Handhabe: Der Mieter, der eben erst eingezogen ist, müsste sofort gegen seinen Vermieter vorgehen.
Der Mieterverein ist nicht klageberechtigt. Es handelt sich zudem um keine Ordnungswidrigkeit, es ist kein Bußgeld vorgesehen. Das bestätigt man auch beim Amt für Liegenschaften und Wohnen: Der Mieter selbst müsse handeln. Das tut aber kaum einer. Der Vonovia sei bisher kein einziger Verstoß nachzuweisen gewesen.
Bei der Vonovia handelt es sich mit weitem Abstand um das größte Wohnungsunternehmen in Deutschland. Der Bestand liegt aktuell bei rund 350 000 Einheiten. Sie ist im Südwesten, spätestens seit dem Kauf der ehemaligen LBBW-Wohnungen vom ersten Käufer Patrizia, stark vertreten.
Modernisierungen als Kostenturbo
„Ein Wohnungsunternehmen dieser Größe gab es früher in Deutschland nicht“, berichtet Daniel Zimmermann. Er ist beim Deutschen Mieterbund als Koordinator für große Wohnungsunternehmen für die Belange der Mieter von Vonovia und Co. zuständig. Insgesamt sei der Sektor professioneller und börsennotierter Vermieter in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen, so Zimmermann. „Das Kartellamt hat bei diesen großen Fusionen bislang nie Bedenken gehabt“, sagt er.
Doch für ungefährlich hält der Fachmann diese Entwicklung trotzdem keineswegs. Zwar reiche der Marktanteil von Vonovia nicht aus, um insgesamt eine beherrschende Stellung einzunehmen, doch das Unternehmen kaufe besonders häufig Bestände an günstigen Wohnungen geballt auf. „In einzelnen Quartieren oder Stadtteilen sind die Auswirkungen dann natürlich sehr deutlich zu spüren“, sagt der Mann vom Mieterbund.
Dabei seien Überschreitungen der Mietpreisbremse nicht das Hauptphänomen. „Das eigentliche Problem ist, dass Vonovia den großen Modernisierer gibt“, erklärt Zimmermann. „Die Mietpreisbremse etwa gilt nicht, wenn eine Wohnung energetisch saniert wird“, so der Experte. Und: „Elf Prozent der Kosten lassen sich später jedes Jahr auf die Mieter abwälzen.“
An den nun kräftig erhöhten Mieten der sanierten Objekte verdiene das Unternehmen gutes Geld, sagt Zimmermann. Den Bewohnern bleibe in aller Regel nur die Option, sich auf einem überhitzen Markt wie Stuttgart vergeblich nach einer günstigeren Bleibe umzusehen oder die Mietererhöhung zähneknirschend hinzunehmen.
Nächste Übernahme steht bevor
Dabei ist der Wachstumskurs der Vonovia längst noch nicht beendet. Nach zahlreichen Übernahmen anderer Wohnungsunternehmen breitet sich der Konzern inzwischen über Deutschland hinaus aus. Nach zwei Übernahmen in Österreich und einer Partnerschaft in Frankreich hat der Konzern nun ein Übernahmeangebot im Wert von rund 900 Millionen Euro an ein schwedisches Wohnungsunternehmen gemacht.
„Uns ist bewusst, dass jede Modernisierung mit Belastungen für unsere Kunden verbunden ist“, sagt eine Vonovia-Sprecherin. Man arbeite „hart daran, sowohl die Bautätigkeit als auch die mit einer Modernisierung verbundene Mietsteigerung so kundenorientiert wie möglich zu gestalten und zu erläutern, was wir tun“. Die Vorwürfe weist das Unternehmen zurück: Man halte sich an die gesetzlichen Vorgaben, auch bei der Mietpreisbremse.
„Nach Modernisierungen bleiben wir im Durchschnitt deutlich unter der Umlage von elf Prozent, die der Gesetzgeber derzeit maximal vorzieht. Vonovia führt keine Luxusmodernisierungen durch“, sagt die Sprecherin. Außerdem gebe es ja eine qualitative Verbesserung.
Und: „Wir möchten, dass unsere Mieter bei uns wohnen bleiben können.“ Persönliche und auch wirtschaftliche Härten im Zusammenhang mit der Modernisierung nehme man „sehr ernst“ und versuche, „im Einzelfall Lösungen dafür zu finden“.
Ob das Ursula Kienzle und vielen anderen Mietern in Stuttgart hilft, bleibt offen.Neben den höheren Kosten denkt sie derzeit vor allem an eines: „Mir graust es vor dem ganzen Lärm und Dreck.“

StN: Auszug verweigert – Haus beschädigt
In Stuttgart zeichnet sich ein neuer Trend ab: Wo wenig Miete bezahlt wird, sollen alte Häuser teuren Neubauten weichen. Häufig helfen Vermieter mit Geld nach, um Mieter loszuwerden. Doch manchmal treten plötzlich Schäden auf – der Mieterbund glaubt an mutwillige Zerstörung.
Uzbee Mohideen hat seine Hände tief in die Taschen seiner beigefarbenen Jacke gesteckt. Er steht vor dem Haus, in dem er seit 16 Jahren wohnt. Doch jetzt wird das Heim, das er sich in seiner kleinen Wohnung im Stuttgarter Stadtbezirk Weilimdorf aufgebaut hat, plötzlich bedroht. Mohideen, seine Frau und seine beiden Kinder sollen ausziehen. Nicht freiwillig. Die Familie soll dazu regelrecht gezwungen werden.
Der Eigentümer des Mehrfamilienhauses hat Räumungsklage gegen Uzbee Mohideen und die anderen Mieter im Haus eingereicht. Die Begründung: Man sei „an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung gehindert“. So steht es in dem Gerichtspapier, das unserer Redaktion vorliegt. Kurz gesagt bedeutet das: Dem Eigentümer reicht die Miete nicht, die er derzeit aus den vier vermieteten Wohnungen bekommt.
Die Bewohner aber wollen nicht gehen, ihre Wohnungen nicht einfach so hergeben. In der Folge sind urplötzlich Beschädigungen am Haus aufgetreten: Der Kellerzugang etwa wurde mit Bauschutt und Erde zugeschüttet, die Haustür verschwand, die Regenrinne wurde zerstört – Wasser dringt ungehindert ins Haus. „Man will die Menschen zum Auszug zwingen, indem man ihnen das Leben unmöglich macht“, glaubt der Landesvorsitzende des Mieterbundes, Rolf Gaßmann. „Der Vermieter will die Bewohner zermürben.“ Laut Mieterbund handelt es sich nicht um einen Einzelfall.
Das Haus in Weilimdorf hat den Eigentümer gewechselt. „Damit hat unser Ärger angefangen“, erzählt Mohideen. Aus der Räumungsklage geht hervor, dass die Familie Mohideen, dem Willen der neuen Eigentümer nach, zum 30. Juni 2018 hätte auszuziehen sollen. Die Bewohner aber haben sich gegen die Kündigung gewehrt – der Fall wird im Dezember vor Gericht entschieden. Auch die anderen drei Mietparteien im Haus werden ihren Vermieter wohl das nächste Mal vor Gericht wiedersehen.
„Ich kann verstehen, dass man hier neu bauen will“, sagt Mohideen nüchtern. Was dem Familienvater aber zu schaffen macht, sind die Schäden am Haus, die den Aussagen der Mieter zufolge erst aufgetreten sind, als die Bewohner sich weigerten, ihre Wohnungen zu verlassen. Ein Beispiel: Ein Foto aus dem Juli dieses Jahres zeigt eine intakte, breite Hofeinfahrt. Inzwischen aber ist der Beton aufgebrochen, rostige Rohre ragen aus dem Erdreich hervor, der Weg zwischen Haus und Bauzaun ist schmal. Für einen Kinderwagen fast zu schmal. „Am Haus wurden Dinge einfach kaputt gemacht“, sagt Mohideen verärgert.
Eingang zum Keller mit Bauschutt blockiert
Heute stellt sich das Bild vor Ort so dar: Am Hauseingang befindet sich eine Tür ohne Schloss. Mit der alten, abschließbaren Tür wurde das Kellerfenster von außen blockiert. Kein Licht dringt mehr ins Untergeschoss. Der äußere Zugang zum Keller wurde mit Bauschutt und Erde zugeschüttet. Im Treppenhaus gibt es kein Licht mehr, die Klingelanlage wurde abgebaut. Die Regenrinne oberhalb des früheren Kellerzugangs wurde durchtrennt. Wasser kann nun ungehindert in den Keller laufen. Der Mieterverein will den Vermieter mit juristischen Mitteln dazu bringen, die dringlichsten Schäden zu beseitigen – auch hier wird die Entscheidung wohl erst vor Gericht fallen.
Trotz mehrfacher und ausführlicher Anfragen unserer Zeitung wollte sich der Eigentümer der Immobilie, die Firma Hermann Wohnbau mit Sitz in Kornwestheim, nicht zu den Vorgängen äußern. Fragen, wer die Schäden am Haus verursacht haben könnte oder ob die Probleme zeitnah behoben werden, bleiben unbeantwortet.
Dem Internetauftritt des Vermieters zufolge ist die Unternehmensgruppe neben der Immobilienentwicklung noch in weiteren Geschäftsfeldern aktiv – etwa im Management von Profiboxern. Und: auf der Internetseite des Vermieters wird unter der Adresse in Weilimdorf bereits ein Neubauquartier mit Namen „neue Grüne Mitte“ beworben. Das Objekt sei „in Planung“, heißt es da. Zudem hat die Firma nach Informationen unserer Zeitung den ersten Bauantrag für einen Neubau samt Tiefgarage anstelle des alten Mehrfamilienhauses beim Baurechtsamt der Landeshauptstadt bereits im Februar 2018 gestellt – lange bevor Familie Mohideen und die anderen Bewohner des Hauses hätten ausziehen sollen.
Nach Aussage von Mieterbund-Chef Gaßmann ist der Fall ein extremes Beispiel für eine aktuelle Entwicklung am Wohnungsmarkt. „Ältere Häuser in guter Lage werden abgerissen, um dort ertragreiche, neue Wohnanlagen erstellen zu können“, sagt er. Das Problem von Mietern, die ihre angestammte Umgebung nicht verlassen wollen oder können, wird laut Rolf Gaßmann in vielen Fällen mit Geld gelöst. „Beim Bau und dem anschließenden Verkauf oder der Vermietung neuer Wohnungen springt in der Regel genug raus, damit der Bauträger den bisherigen Mietern eine großzügige Abfindung zahlen kann“, sagt er. Aber: „Rabiates Vorgehen wie in dem Fall in Weilimdorf beobachten wir leider immer öfter.“
Mieterbund: Zu geringe Mieten taugen nur selten als Kündigungsgrund
Mit Blick auf die Räumungsklagen gegen die Mieter aus Weilimdorf gibt sich Gaßmann zuversichtlich. „Es gibt ganz wenige Fälle, bei denen mangelnde Wirtschaftlichkeit eine Kündigung rechtfertigt“, sagt er. Das sei besonders dann der Fall, wenn der Kauf der Immobilie noch nicht lange zurückliege, so Gaßmann. „Niemand wird gezwungen, ein vermietetes Wohnhaus zu kaufen. Zudem kann man sich vorab über die Höhe der Mieten und damit über die Wirtschaftlichkeit informieren“, sagt er. Ähnlich argumentiert der Anwalt der Familie Mohideen. „Der Kündigungsgrund entsteht überhaupt erst mit der Veräußerung und erst beim Erwerber“, heißt es in der offiziellen Antwort auf die Räumungsklage.
Uzbee Mohideen hat sich mit seiner Familie trotzdem auf Wohnungssuche gemacht. „Ich habe mehr als 300 Bewerbungen geschrieben“, berichtet der Familienvater. Auf die meisten Anschreiben habe er jedoch keine Antwort erhalten, erzählt er. Und: „Selbst mit einem guten Gehalt ist es kaum möglich, eine Wohnung zu finden.“ Die einzigen Angebote, bei denen Mohideen in die engere Auswahl gekommen ist, hätten das Budget der vierköpfigen Familie komplett gesprengt. Und auch die anderen Mieter des Hauses sind nach eigener Aussage verzweifelt auf der Suche nach einer neuen Bleibe.
In der Räumungsklage des neuen Eigentümers heißt es dazu: „Auch ist die lapidare Begründung, der Beklagte (hier ist die Familie Mohideen gemeint) habe trotz intensiver Wohnungssuche keine Ersatzwohnung finden können, für einen Sozialwiderspruch nicht ausreichend.“ Sollte der Vermieter mit dieser Rechtsauffassung bei der Gerichtsverhandlung im Dezember erfolgreich sein, würden die Mohideens und die anderen Bewohner des Hauses auf der Straße stehen. In einem solchen Fall könnte die Familie bei der Stadt um eine Notunterkunft bitten. „Das will ich vermeiden“, sagt Mohideen. „Ich arbeite seit 25 Jahren bei einem großen Autohersteller in der Region. Ich will nicht, dass die Stadt mir helfen muss.“

Was unternimmt die Stadt gegen Fälle von Mietwucher und Zweckentfremdung von Wohnraum über das Portal www.urbanbnb.de
Folgend ein Antrag der FrAKTION im Gemeinderat zum Portal und Anbieter urbanbnb:
Wir fragen:
- Hat die Verwaltung die Wohnungsangebote des Portals urbanbnb.de bezüglich der Zweckentfremdungsverbotssatzung untersucht?
- Wie viele der auf dem genannten Internetportal angebotenen Wohnungen werden aus Sicht der Verwaltung zweckentfremdet angeboten?
- Zweckentfremdung von Wohnraum wird von der Zweckentfremdungsverbotssatzung (GRDrs 1197/2015) unter Genehmigungsvorbehalt gestellt. Hat der Betreiber des Portals oder haben die jeweiligen Eigentümer um eine solche Genehmigung für die angebotenen Wohnungen ersucht?
- Wie viele der auf urbanbnb.de angebotenen Wohnungen sind genehmigt als zum vorübergehenden Gebrauch von Wohnraum?
Nach § 27 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Gemeinderats der Stadt Stuttgart heißt es: „Schriftliche Anfragen beantwortet der Oberbürgermeister grundsätzlich innerhalb von drei Wochen, in Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung oder bei referatsübergreifenden Vorgängen innerhalb von sechs Wochen.“ Wir bitten, diese Fristen einzuhalten.
Begründung:
Das Unternehmen und Internetportal urbanbnb mit Sitz in schweizerischen Kreuzlingen vermittelt eine Vielzahl an Wohnungsangeboten für „Wohnen auf Zeit“ in Berlin, Frankfurt, Köln und auch Stuttgart. Angeboten werden möblierte Zimmer und Wohnungen, wahlweise Tagesweise oder zu Monatspauschalen. Bei der Ansicht der Anzeigen fallen auch möblierte Gästezimmer mit Wuchermieten ins Auge. Angeboten werden z.B. ein 14 m² Zimmer für 740 Euro zzgl. Reinigungspauschale (55 €/m²) im Kaisermer nähe dem HBF, oder ein 12 m² Zimmer für 690 Euro zzgl. Reinigungspauschale (57 €/m²) in der Bachwiesenstraße in Stuttgart Heslach.
Das Totalversagens der Mietpreisbremse wird immer offensichtlicher. Bereits im Jahr 2016 wurden in Stuttgart bereits 61 Prozent aller angebotenen Wohnungen möbliert vermietet; vier Jahre zuvor waren es nur 34 Prozent. Wer möbliert vermietet, darf vom Zeitwert der Wohnungseinrichtung zwei Prozent auf die Monatsmiete draufschlagen. Bei einer Wohnungseinrichtung von beispielsweise 1200 Euro sind das rund 14 Euro pro Monat – für die gesamte Wohnung. Wer allerdings seine Wohnung möbliert und nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet, darf den Mietpreis frei wählen – hier greift keine Mietpreisbremse. Es gilt für Stuttgart die Frage zu beantworten, welcher Vermieter das Recht hat, seine Wohnung zum vorübergehenden Gebrauch anzubieten. Die Stadt muss ein unmittelbares Interesse haben, diese Nutzungsform weitest möglich zu unterbinden.
Der Wohnraummangel in Stuttgart nimmt seit Jahren zu. Dies war im Dezember 2015 ein wesentlicher Grund, warum die Mehrheit des Gemeinderats die „Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum in der Landeshauptstadt Stuttgart“ verabschiedet hat.
Neben anderen Instrumenten und Möglichkeiten bieten auch Portale zur Vermittlung von Wohnen auf Zeit Angeboten eine Möglichkeit für die Verwaltung Zweckentfremdung von Wohnraum auf die Spur zu kommen. Deshalb ist es Naheliegend, dass die Verwaltung die Angebote solcher Portale erfasst und potentielle Verstöße ahndet.
Fakt ist, dass es derzeit noch keine rechtliche Verpflichtung der Internet-Plattformen gibt, der Stadt Stuttgart Informationen über Adressen und Vermieter herauszugeben. Es stimmt auch, dass bei den Anzeigen auf den Portalen oft keine genaue Adresse vorhanden ist. Dennoch kann die Verwaltung in Verdachtsfällen tätig werden und Hinweise auf Zweckentfremdung von Wohnraum verfolgen. Im Fall von www.urbanbnb.de beispielsweise gibt es in einigen Anzeigen Fotos und Vorstellungsvideos der Zimmer und Wohnungen die eine genaue Standortbestimmung und Überprüfung ermöglichen.

Stellungsnahme und Erklärung zur Hausbesetzung: Jahrelanger Leerstand beendet
Im folgenden dokumentieren wir die Stellungsnahme und Erklärung der BesetzerInnen (Quelle):
Wir haben soeben das Haus in der Forststraße 140 besetzt. Nach einer Kundgebung gegen Modernisierungsvertreibung in der Forststraße 168 haben wir festgestellt, dass wenige Meter weiter ein Haus bereits seit Jahren leersteht. Die Türen standen offen. Es wäre unverantwortlich gewesen, diesen Zustand weiter andauern zu lassen. Wir werden erst einmal bleiben um auf den unsinnigen Leerstand bei gleichzeitiger Verdrängung in Stuttgart aufmerksam zu machen. Wir fordern, dass die Wohnungen in dem mehrstöckigen Haus mit über 20 leerstehenden Zimmern unverzüglich in bezahlbaren Wohnraum umgewandelt werden. Zwei Nachmieterinnen haben sich gefunden: Tanja und Rosevita würden hier sehr gerne einziehen.
Derzeit findet im besetzten Haus ein Fest mit mehr etwa 100 Menschen statt. Kommt vorbei, beteiligt euch und besichtigt die Wohnungen!
Leerstand seit zig Jahren
Das Haus in der Forststraße 140 steht bereits seit etlichen Jahren leer, dies haben uns mehrere Nachbarn bestätigt. Wie lange genau, wissen wir nicht. Der Zustand der Wohnungen lässt vermuten, dass die schönen Altbauwohnungen möglicherweise bereits seit über 10 Jahren leerstehen. Die Wohnungen sind größtenteils renovierungsbedürftig, so sind teilweise Böden herausgerissen, ein neuer Anstrich wäre ebenfalls nötig. Alles in allem aber kein unmachbarer Aufwand. Vielleicht könnten potentielle neue BewohnerInnen das sogar selbst erledigen.
Fakt ist: Häuser verfallen langsam aber sicher, wenn sie nicht bewohnt werden. Es wäre eine Schande, wenn auch dieses Haus dieses Schicksal ereilen würde.
Wer Eigentümer ist, konnten wir noch nicht herausfinden. Es ist auch egal. Dieses Haus wird nun wieder belebt. Alles andere wäre Wahnsinn!
Wohnraum für Betroffene von Verdrängung
Zwei Frauen würden in Wohnungen der Forststraße 140 gerne einziehen: Die eine ist Tanja Klauke. Sie wohnt bisher ein paar Meter weiter in der Forststraße 168 und wird wohl bald ausziehen müssen. Der Grund: Sie wohnt bisher zu einer leistbaren Miete – für Stuttgarter Verhältnisse sogar recht günstig: 488,30 Euro für 66 Quadratmeter. Ihre Vermieterin, die Stuttgarter Immobilienfirma „Schwäbische BauWerk GmbH“ hat ihr im Winter eine „Modernisierungsankündigung“ geschickt. Ihre Wohnung soll sich über lange Zeit in eine Baustelle verwandeln, dann soll sie 1155,24 Euro Miete zahlen. Das kann sich die Die 44-jährige Krankenpflegerin im Katharinenhospital aber nicht leisten. Dabei ist die Wohnung noch gut in Schuss, ein paar Kleinigkeiten könnte man schon richten, notwendig ist eine Generalsanierung aber bei Weitem nicht. Tanja würde zu gleichen Konditionen wie bisher in eine der bisher leerstehenden Wohnungen ziehen.
Das Vorhaben der „Schwäbische BauWerk GmbH“ wird sich leider kaum verhindern lassen. Darum ist Tanja schon jetzt auf der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung. Für ein Krankenpflegerinnenlohn ist das in Stuttgart aber keineswegs einfach. Zuletzt Schlagzeilen machte der Fall des Klinikums-Personalwohnheims am Prießnitzweg. Auf dem Gelände soll neu gebaut werden, danach werden viele Mieten kräftig erhöht. Das ist also auch keine Option. Gerade in Zeiten von Überlastung, niedrigen Löhnen und Personalmangel in der Pflege zeigt ihr Fall, welche dramatischen Folgen die Neoliberalisierung von Gesundheit und Wohnungsbau haben.
Die andere Frau, die in eine Wohnung einziehen würde, ist Rosevita Thomas. Die alleinerziehende Mutter eines zehnjährigen Sohnes wurde bereits vor über einem Jahr aus ihrer Wohnung im Westen geworfen, angeblich aus Eigenbedarf. Heute ist in der Wohnung ein Architektenbüro. Sie besetzte im Frühjahr letzten Jahres eine von zwei Wohnungen in der Wilhelm-Raabe-Straße 4 in Stuttgart Heslach. Nach einem Monat wurde sie zwangsgeräumt, die Wohnungen dort stehen immer noch leer und Rosevita muss sich seitdem mit ihrem Sohn ein kleines Zimmer bei ihrer Schwester teilen. Fündig ist sie auf dem Stuttgarter Wohnungsmarkt seitdem nicht geworden. Eine Wohnung in der Forststraße 140 wäre für die beiden optimal, sie hätten wieder eine eigene Bleibe in ihrer früheren Nachbarschaft.
Ein riesiges Problem
Die Geschichten von Tanja und Rosevita sind keine Einzelfälle. Wie ihnen geht es Tausenden Menschen allein im Großraum Stuttgart. Ihre Fälle erzählen so vor allem die Geschichte eines riesigen sozialen Problems dem PolitikerInnen und Immobilienmarkt nichts entgegenzusetzen haben. Die Antworten, die sie geben, bauen auf Zuschüsse für Immobilienfirmen und wirkungslose Reformen. Die Mietpreisbremse etwa wirkt nicht, das Baukindergeld erreicht die wirklich Bedürftigen nicht und spült nur noch mehr Geld in die Taschen von Bauunternehmen. Einfach nur mehr zu bauen ist zu kurz gedacht, wer kann sich schon Neubaumieten leisten? Der Bau von Sozialwohnungen zielt ebenfalls auf Bezuschussung von gewinnorientierten Unternehmen. Die Mieten für solche Wohnungen sind zwar etwas günstiger, fallen aber in der Regel aber 15 bis 20 Jahren wieder aus der Mietpreisbindung.
Die Geschichten von Rosevita und Tanja zeigen auf, wie Frauen im Besonderen von dem Problem betroffen sind. Tanja arbeitet im Pflegesektor, in dem die Löhne wesentlich niedriger sind als in vorwiegend von Männern ausgeübten Berufen. Auch Alleinerziehende, wie Rosevita, haben es erfahrungsgemäß schwerer bei der Wohnungssuche. Gerade angesichts des gestrigen Frauenkampftags, an dem auch in Stuttgart Hunderte auf die Straße gegangen sind, ist dieser Aspekt noch einmal besonders hervorzuheben.
Was wir wollen
Erst einmal haben wir keine großen Erwartungen an Politik und Investoren. Sie haben über Jahre des Wirtschaftens für Profitinteressen statt für Menschen die Wohnungskrise erst verursacht. Heute sind sie nicht fähig – noch willens – dieses Problem zu lösen. Darum appellieren wir an alle Menschen, selbst aktiv zu werden. So wird es am 6. April eine große Mietendemo in Stuttgart gebenum zu zeigen, wie viele Menschen wütend auf die Situation auf dem Wohnungsmarkt sind. Dort wird es den BESETZEN-Block als Teil der Demo geben mit welchen noch einmal explizit die Ursache der Wohnungskrise (und vieler anderen Krisen), der Kapitalismus, thematisiert werden soll. Beteiligt euch daran!
Es gilt: Wenn nicht viele Menschen selbst aktiv werden und sich langfristig zusammenschließen, wird sich gar nichts ändern. Dennoch fordern wir bezogen auf das besetzte Haus eine, eigentlich ganz selbstverständliche Sache: Die Wohnungen müssen in bezahlbaren Wohnraum umgewandelt werden. Eine Renovierung ist sicher notwendig, eine Luxussanierung darf es aber nicht geben. Und natürlich sollen Tanja und Rosevita hier einziehen.
Besonders sehen wir die Stadt hier in der Verantwortung sich sofort und mit allen Mitteln dafür einzusetzen. Es sei an dieser Stelle auch an die seit 2016 geltende Zweckentfremdungssatzung erinnert, die jedoch bis dato in keiner Weise wirksam durchgesetzt wurde. Im konkreten Fall der Forststraße 140 wäre daher die Enteignung ein gerechtfertigtes, wirksames und signalstarkes Mittel. Einige der aktuell 4700 auf der städtischen Warteliste für eine Sozialwohnung stehenden wohnungssuchenden Haushalte würden es sicher danken!
Website und Infoportal: www.leerstand-beleben.tk

Stadträte wegen Solidarität mit Hausbesetzung verurteilt – Presseschau und Plädoyers
Pressespiegel:
REGIO-TV: Stadträte wegen Hausfriedensbruch verurteilt
Stuttgarter Zeitung: OB-Kandidat Rockenbauch vor Gericht
Videoaufruf von Hannes vor dem Prozess:
Erklärung von Stadtrat Tom Adler (Download)
Meine Damen und Herren,
zu den rein rechtlichen Detailfragen der Anzeige der Familie Passy gegen mich und meine Kollegen Rockenbauch und Pantisano haben unsere Anwälte schon Stellung genommen.
Ich sehe aber, daß die Anzeigen gegen uns nur ein kleiner Teil der Anzeigen und Prozesse ist, mit der die Eigentümerfamilie seit fast 2 Jahren
- die eigenen Mieter*innen überzieht, die noch in der Wilhelm Raabestr. 4 wohnen,
- und die 2 kleinen Familien von Adriana Uda und Rosevita Thomas schon überzogen hat, die beide dringend Wohnraum gebraucht hatten und deshalb in die leerstehenden Wohnungen eingezogen sind.
In Wohnungen die die Familie Passy leer stehen ließ – obwohl beim Amt für Wohnungswesen über 4000 Menschen als dringend wohnungssuchend registriert sind, 2500 als Notfälle, obwohl hunderte Alleinerziehende und Familien mit Kindern oft jahrelang in Sozialpensionen und Notunterkünften untergebracht werden müssen und kaum Chancen haben dieser Notlage zu entkommen, weil es die bezahlbaren Wohnungen immer weniger gibt.
Eine hilflose Stadtverwaltung muss noch immer zuschauen, wie solche Spekulanten gar nicht vermieten müssen, sie brauchen nur so zu tun, als würden sie ein Haus in Stand setzen lassen. Seit 3 Jahren stehen die für einen Monat „belebten“ Wohnungen leer…
Sie können einfach nur zuschauen – zuschauen, wie durch Entmietung die steigenden Immobilienpreise ihr Vermögen Monat für Monat immer weiterwachsen lassen, während andere vergeblich nach einer bezahlbaren Bleibe suchen.
Sie bringen uns vor Gericht wegen angeblichem Hausfriedensbruch, während Sie den Hausfrieden der Hausgemeinschaft WRS4 täglich gebrochen haben, durch verbarrikadierte Zugänge, durch Wachdienste im Haus, und rechtswidrig angebrachte Videoüberwachungskameras.Artikel 14 Grundgesetz lautet: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“ Für die Eigentümer der Wilhelm-Raabe-Str 4 ist das offenbar nur eine unverbindliche Empfehlung.
Es ist schlicht obszön, wie Sie nicht nur uns, sondern gleichzeitig die letzte Mieterfamilie im Haus vor Gericht zerren, einer Familie mit Kindern das Dach überm Kopf nehmen wollen – mit der Behauptung, dass diese Mieter-Familie die Belebung des leerstehenden Wohnraums in der WRS4 richtig gefunden habe. Deutlicher kann man nicht zeigen, worum es Ihnen geht: was sie erreichen wollen, ist: dass Solidarität vor Gericht steht!
In allen Fällen, die die Eigentümerfamilie Passy inzwischen vor Gericht gezogen hat und immer noch zerrt – bei den Besetzern, bei den Mieter*innenfamilien und auch bei uns heute – geht es um nichts anderes als diesen Versuch, Solidarität zu kriminalisieren.
Und in unserem Fall hat dieser Versuch schon auch groteske Züge. In der Wilhelm-Raabe-Str4 haben sich in diesen 4 Wochen, als der von der Familie Passy zu verantwortende Leerstand belebt wurde, Journalist*innen und Fernsehteams die Klinke regelrecht in die Hand gegeben.
Zur selben Zeit, als wir mit Frau Uda vorlaufender Kamera ein Gespräch geführt haben.
Die öffentliche Kritik an Leerstand und der Tatenlosigkeit der Politik angesichts der Verdrängung von Menschen mit kleinen Einkommen aus ihren Vierteln war in Stuttgart stark, und das öffentliche Interesse, ja: die Sympathie mit der Besetzung war groß.
So etwas schmerzt Spekulanten.
Im Schriftsatz des Anwalts der Familie Passy wird nun ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie ausschließlich Strafanzeige wg unseres Interviews im live-Format Rockpolitik erstatten – sonst gegen niemand.
Dass unsere Berichterstattung aus der Wilhelm-Raabestr. Hausfriedensbruch sein soll, jede andre aber legal und legitim, offenbart die Haltung der Familie Passy:
Ihr Grund uns anzuzeigen ist unübersehbar ein politischer: unser Interview bringt Solidarität mit Adriana, Rosevita, Jörg und ihren Kindern zum Ausdruck. Es geht Ihnen darum, Solidarität zu kriminalisieren.
Es geht Ihnen, ja, offensichtlich auch um Rache dafür, dass sie in der Stuttgarter Öffentlichkeit als das gezeigt wurden, was sie sind: Spekulanten.
Für uns ist Wohnen ein Menschenrecht, verbrieft durch viele internationale Konventionen. Und wir unterstützen Menschen, die sich, wie in diesem Fall von spekulativem Leerstand – dieses Recht im Zweifelsfall auch nehmen – solange die Stadt dieses Menschenrecht nicht gewährleistet und die Spekulation mit Wohnraum durch Leerstand nicht unterbindet.
Möglich, dass die Familie Passy meint, mit ihrer Anzeige Solidarität tatsächlich kriminalisieren zu können. Aber seien Sie sicher: es wäre ein Pyrrhus-Sieg.
Denn die Solidarität wird angesichts der fortgesetzten Misere bei Mieten und Wohnraum nicht aufhören.
Sie ist ein urmenschliches Bedürfnis, anders als die Vermehrung von Privat-Vermögen auf Kosten von Mitmenschen und Gesellschaft.
Die Stuttgarter Presse hatte die Belebung des Leerstands in der Wilhelm-Raabe-Str4 seinerzeit einen „Weckruf aus Heslach“ für die Politik genannt.
Er hat auch in der Politik die Koordinaten ein klein bisschen zu Gunsten der Mieter*innen verschoben.
Und wir werden weiter solidarisch an der Seite von allen stehen, für die das Menschenrecht auf Wohnen einen höheren Rang hat als das Recht, mit Boden- und Wohnungsspekulation aus Geld noch mehr Geld zu machen.
Erklärung von Stadtrat Luigi Pantisano:
Sehr verehrte Frau Vorsitzende, Ich engagiere mich seit langer Zeit für menschenwürdiges und bezahlbares Wohnen für alle Menschen. Die Mietpreise steigen in Stuttgart seit Jahren an und bezahlbare Wohnungen werden immer knapper. Die Stuttgarter*innen leiden mittlerweile unter den teuersten Mieten in ganz Deutschland.
4.700 Menschen stehen in Stuttgart auf der Vormerkdatei für Sozialwohnungen, davon 3.600 Dringlichkeitsfälle. 3.800 Studierende stehen auf Wartelisten für Studentenzimmer. Fast 8.000 Geflüchtete leben noch in Systemunterkünften. Gleichzeitig stehen in Stuttgart zwischen 3.000 und 11.000 Wohnungen leer.Diese Situation zwingt Stuttgarter*innen in die Wohnungslosigkeit oder in die Obdachlosigkeit, selbst Familien mit Kindern sind betroffen. So erging es auch Rosevita, als alleinerziehende Mutter und Adriana mit ihrem kleinen Kind. Die Not zwang sie, in die seit Jahren leerstehenden Wohnungen in der Wilhelm-Raabe- Straße 4 zu ziehen.In kenne eine solche Situation selber nur zu gut. Als ich ein Kind war, kündigte mir und meiner Familie der Vermieter unserer Wohnung wegen Eigenbedarfs. Meine Eltern, meine drei Geschwister und ich standen vor dem Nichts. Zwei Jahre lang putzten wir Klinken und bettelten um eine Wohnung. Ich war noch ein Kind von 10 Jahren, aber ich kann mich noch gut an die abfälligen Kommentare der vielen Vermieter erinnern. Niemand wollte eine italienische Familie mit vier Kindern und einem kleinen Einkommen als Mieter haben. Irgendwann lag die Androhung für die Zwangsräumung im Briefkasten.Dieser Tag hat sich in meinem Gedächtnis eingebrannt. Meine Eltern waren dadurch gezwungen, einen völlig überzogenen Kredit für eine kleine Eigentumswohnung aufzunehmen. Bis heute, über 30 Jahre später und im alter von 80 Jahren bezahlen sie noch immer Zins- und Zinseszins ab. Die Wohnung aus der wir ziehen mussten stand dann immer noch über 5 Jahre nach unserem Auszug leer.Auch Aufgrund meiner eigenen Erfahrung kann ich mich sehr gut in die Situation von Rosevita und Adriana hineinversetzen und so war es für mich selbstverständlich, mich mit ihnen zu solidarisieren.Es ist für mein politisches Handeln selbstverständlich, mit Menschen in das Gespräch zu suchen. Das gehört für mich zu einer Politik auf Augenhöhe. So wie es auch für mich dazu gehört mein Handeln öffentlich und transparent zu machen.Nicht Menschen die zustände verbessern wollen gehören verurteilt, sondern diejenigen, die völlig unberechtigt Wohnungen leer stehen lassen. Bis heute stehen die beiden Wohnungen in der Wilhelm-Raabe-Straße 4 leer. Aus zwei leerstehenden Wohnungen sind mittlerweile sogar vier leere Wohnungen geworden und auch die letzten Mieter*innen sollen nun gehen. Alles – vermutlich – um das gesamte Haus meistbietend zu verkaufen für den größtmöglichen Profit.Wohnen ist laut Verfassung und der UN-Menschenrechtscharta zuallererst ein Menschenrecht und nicht eine Kapitalanlage für Investoren.Viele Journalisten waren vor uns bereits in den Wohnungen. Sie führten Gespräche mit den Bewohner*innen, auch um die Öffentlichkeit über die Notsituation auf dem Wohnungsmarkt aufzuklären. Das war richtig und wichtig.Ich habe das Gespräch mit den Bewohner*innen gesucht, um Solidarität und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu demonstrieren und zum gesellschaftlichen Frieden beizutragen. Rosevita und Adriana waren in Not und ich wollte sie unterstützen.Recht und Gesetz wirken nicht in einem sozialen Vakuum. Ich bitte heute das Gericht, in diesem Sinne zu entscheiden und Rechtsfrieden zu schaffen.”
Meine Stadtratskollegen Hannes Rockenbauch, Thomas Adler und ich wurden heute vom Gericht zu jeweils 15 (Tom) und 10 Tagessätzen (Hannes und ich) wegen Hausfriedensbruch verurteilt. Das ist ein mildes Urteil und nur ein Drittel von dem Strafmaß, welches die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Gut so!

Stuttgarter Nachrichten: Die gepflegte Hausbesetzung
150 Leute marschieren am Samstag nach einer Protestveranstaltung in das Haus in der Heslacher Wilhelm-Raabe-Straße, zwei Familien beschließen spontan zu bleiben. Jetzt sind sie Hausbesetzer. Von den Nachbarn erfahren sie großen Zuspruch.
Stuttgart – Wasserwerfer, Polizisten, vernagelte Fenster, verrammelte Türen: Das war in den 80ern die übliche Kulisse, wenn die Tagesschau wieder von Krawallen in der Hamburger Hafenstraße berichtete. Man sprach vom „Häuserkampf“ und sah Straßenschlachten. Hausbesetzung heute geht ganz anders.
Die Haustür der Wilhelm-Raabe-Straße 4 steht offen. Die namenlosen Klingeltasten müssen die der Besetzer sein. Nachbarn, Unterstützer und Neugierige, werden freundlich in den Hinterhof gelotst. Hier stehen Kaffee, Limonade und Biertischgarnituren bereit. „Es kommen ja den ganzen Tag über Leute“, sagt Fatima Raad, die mit Mann und Kind schon seit Jahren mit einem Mietvertrag im Haus wohnt. Über ihre neuen Mitbewohner, die am Samstag nach einer Protestveranstaltung des Aktionsbündnisses Recht auf Wohnen eingezogen sind, freut sich die junge Frau.
Gut 150 Leute seien in das viergeschossige Haus marschiert, berichtet Paul von Pokrzywnicki vom Aktionsbündnis. Die Wohnungen hätten offen gestanden. Rosevita Thomas und ihr Sohn sowie eine dreiköpfige Familie beschlossen spontan zu bleiben. Ihre neue Wohnung im obersten Stock wurde unverzüglich von Unterstützern möbliert. „Die Leute kamen mit Tisch, Bett, Stühlen, Pflanzen und Geschirr“, Nachbarn brachten Bettwäsche und Essen. „All diese fremden Leute waren so nett zu uns! Ich hatte das Gefühl von einem ganz starken Zusammenhalt.“ Seit November hatte die Mutter für sich und ihren Neunjährigen nach einer bezahlbaren Wohnung gesucht. Aus der alten hatten sie nach 22 Jahren wegen Eigenbedarfs ausziehen müssen. Eine Verwandte in Stuttgart nahm sie in ihrer winzigen Wohnung.
Die Besetzung als ein politisches Signal
Adriana und ihr Mann, die jetzt mit der kleinen Tochter die Erdgeschosswohnung besetzen, waren bei ihrer Suche ebenfalls gescheitert. „Das ist kein individuelles Problem von uns“, sagt Adriana. Sie verstehe die Besetzung als ein notwendiges, politisches Signal. Die friedliche Weise, wie sie von statten ging, hält Adriana „für angemessen“. Dennoch ist sich die junge Mutter der Radikalität ihres Schrittes bewusst. „Aber man muss doch was tun!“
Mit den aggressiven „Instandbesetzern“ Anfang der 80er haben diese Leute nichts gemein. In der Hochphase waren in West-Berlin zeitweilig mehr als 200 Häuser besetzt. Gewaltbereite Autonome mischten die Szene auf, der Protest geriet zum urbanen Guerillakrieg. Und obschon auf Demos Pflastersteine flogen, Scheiben barsten und Autos brannten, zeigten damals viele Deutsche Verständnis für die Besetzer – nach Meinungsumfragen jener Jahre rund 40 Prozent der Bevölkerung. Die Gründe: Auch die Gegenseite zeigte sich oft unnötig aggressiv. Vor allem aber war es der von Spekulanten angeheizte Wohnungsmarkt, der den Krawallbesetzern Sympathien eintrug. Massenweise ließ man Häuser verkommen, um sie abzureißen und profitableren Wohnraum zu bauen.
Wir wollen Brücken schlagen und uns nicht verbarrikadieren
Die Stuttgarter Hausbesetzer von heute indessen umarmen in einer Charmeoffensive das komplette Viertel. So wurde die Nachbarschaft zum Fest geladen, zeitig per Handzettel informiert, umsichtig von abendlichen Lärm verschont. „Wir wollen Brücken schlagen und uns nicht verbarrikadieren“, sagt Paul von Pokrzywnicki vom Aktionsbündnis. „Individuell kann man das Wohnungsproblem nicht lösen. Dafür braucht es viele Menschen, die sich zusammentun.“ Die ältere Dame vis à vis wünschte den Neuankömmlingen viel Glück, andere Nachbarn hängten solidarische Grüße aus dem Fenster oder packten mit an. Angelika Zielonka von nebenan hofft, dass die Besetzer bleiben und, dass ihr „mutiges Zeichen“ von den Verantwortlichen für die Wohnungspolitik verstanden wird. „Immerhin riskieren die den Rauswurf und eine Strafanzeige“. In ihrem Bekanntenkreis wohnten die meisten beengt und suchten eine bezahlbare Wohnung.
In den vergangenen Jahren waren Hausbesetzungen quasi aus der Mode. Jetzt sind sie wieder da, und die Besetzer erhalten Zuspruch von vielen Seiten. Grüne und SPD im Gemeinderat lassen Verständnis durchblicken. Die Fraktion der SÖS/Linke-plus spricht sogar von einem „mutigen Akt der Selbsthilfe und der Notwehr“. Dem Aktionsbündnis Recht auf Wohnen schwappt auf Facebook viel Zuspruch entgegen. Auch heute hegen brave Bürger Sympathien für den anarchischen Akt einer Hausbesetzung. Die Gründe sind die gleichen wie in der alten Bundesrepublik: wieder ist der Wohnungsmarkt eklatant unter Druck, wenngleich die Ursachen divergieren: die Zinsentwicklung, die Jahrzehnte lange Vernachlässigung des Wohnungsbaus, der gestiegene Bedarf und – unverändert – die Spekulanten, die jetzt nach anderen Regeln spielen. Doch die gepflegte Hausbesetzung von heute ist eine Grenzüberschreitung unter Lächeln.