StZ: Geisterhäuser trotz akuter Wohnungsnot
Leerstehendes Haus in Plieningen – Ein direkter Anwohner lebt seit zehn, ein anderer seit 14 Jahren dort. Beide eint: Seit sie dort wohnen, steht das Haus leer. Unerträglich!
Leerstehendes Haus in Plieningen – Ein direkter Anwohner lebt seit zehn, ein anderer seit 14 Jahren dort. Beide eint: Seit sie dort wohnen, steht das Haus leer. Unerträglich!
Kampf gegen Leerstand: kein Cent Bußgeld im ganzen Land
(Stuttgarter Nachrichten / Sven Hahn / Januar 2018)
Unbegründeter Leerstand ist seit 2013 illegal. Doch die Städte setzen das Gesetz kaum um. In München arbeiten rund 40 Menschen an der Durchsetzung. Im Südwesten sind es neun. Der Artikel zieht eine kritische Bilanz des gültigen Zweckentfremdungsverbotes.
Mietpreisexplosion: Eine Party für Investoren
(StadtPlan der SÖS/LINKE Plus Fraktionsgemeinschaft / Juni 2017)
Ein Text der Fraktionsgemeinschaft zu dem Mangel an bezahlbaren Wohnraum in der Landeshauptstadt, der Stuttgarter Wohnungspolitik und möglichen kommunalen Lösungsansätzen.
http://soeslinkeplus.de/2017/06/mietpreisexplosion-eine-party-fuer-investoren/
Umgang mit „Gentrifizierung“ in Stuttgart
(Fallstudie des Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) / Oktober 2016)
Ziel der Studie vom Deutschen Institut für Urbanistik ist es, herauszufinden, wie sich u.a. die Stadt Stuttgart zu dem Prozess Gentrifizierung positioniert, welche Problemlagen bestehen, wie mit diesen Entwicklungen umgegangen wird und welche Handlungsoptionen zur Verfügung stehen.
(Studie als PDF herunterladen)
Wer wissen will, was in deutschen Großstädten schief läuft, muss nach Stuttgart schauen
(Businessinsider / 24.11.2017 / Marc Steinau)
Viel Verkehr, unbezahlbarer Wohnraum. In Stuttgart zeigt sich auf engem Raum Vieles von dem, was Deutschlands Städte in den vergangenen Jahren falsch gemacht haben.
http://www.businessinsider.de/stuttgart-groessenwahn-veraergert-bewohner-2017-11
Wessen Stadt? Broschüre über Aufwertung und Verdrängung
(Initiative Klassenkampf Stuttgart / Oktober 2016)
Wie in den meisten Großstädten Europas ist auch in Stuttgart Gentrifizierung ein großes Thema. Gentrifizierung findet zur Zeit in fast allen Stuttgarter Stadtteilen statt, die man noch als Innerstädtisch bezeichnen kann, also alle die wir noch mit Bus und Straßenbahn erreichen können. Warum investiert das Kapital in Wohnraum und Städtebau und wie es dabei mit der (Lokal)-politik verknüpft? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Broschüre der Initiative.
https://initiativeklassenkampf.files.wordpress.com/2016/10/ik_wessen-stadt_web.pdf
Wohnen in Stuttgart – eine kritische Billanz
In Stuttgart kaufen Immobilienunternehmen und Investoren was das Zeug hält. Gleichzeitig schrumpft der Bestand an Sozialwohnungen der Stadt Stuttgart – und damit die Möglichkeit der Stadt in den Wohnunsmarkt einzugreifen. Stadtrat Tom Adler fordert in diesem Artikel deshalb einen radikalen Kurswechsel für ein soziales Stuttgart für alle.
(Text siehe Anhang/Ordner)
Spekulationsobjekte beschlagnahmen statt Turnhallen belegen
Aktive aus Mieterinitiativen, Mietertreff Ost und der Gruppe Leerstandsmelder fordern mit einer Aktion am 19.10.2015 die Beschlagnahme der Haussmannstr. 4 – 6 und weiterer Leerstände. Im folgenden ein Bericht mit Verweisen zu Berichterstattung und Videos über die Aktion.
(Text siehe Anhang/Ordner)
Wohnungsangebot für alle Lebenslagen
(Kontext:Wochenzeitung / Dietrich Heißenbüttel / Juli 2015)
Taugt das Stuttgarter Innenentwicklungs-Modell (SIM), um ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen? Nur sehr begrenzt, wie zwei Beispiele im Süden und Osten der Stadt zeigen.
https://www.kontextwochenzeitung.de/politik/222/wohnungsangebot-fuer-alle-lebenslagen-2983.html
Die Hausbesetzung zweier Wohnungen in Heslach geht in die vierte Woche. Am Freitagabend luden die Besetzer und ihre Unterstützer zu einer offenen Podiumsdiskussion. Am Ende des Abends steht fest: Die Besetzer bleiben und sie sind mit ihrem Anliegen nicht alleine.
Stuttgart – Die Stuhlreihen im alten Feuerwehrhaus in Stuttgart-Heslach reichen an diesem Freitagabend kaum aus, um die zahlreichen Besucher aufzunehmen, die zur offenen Podiumsdiskussion „Mietwahnsinn, Wohnungsnot, Besetzung. Und jetzt?“ gekommen sind. Sie alle möchten nicht nur mehr über die Beweggründe der beiden jungen Familien, die seit dem 29. April ohne Mietvertrag in der Wilhelm-Raabe-Straße 4 wohnen, erfahren, sondern auch ihre Solidarität gegenüber den Hausbesetzern und ihren Zielen bekunden. „Ich habe mich schon vor 30 Jahren solidarisch mit den Besetzern gezeigt. Damals sahen die noch ganz anders aus. Die beiden Frauen sehen aus wie ganz normale Leute“, kommentiert eine Besucherin.
Und auch die Besetzer selbst betonen die Normalität, die im Wohnhaus an der Wilhelm-Raabe-Straße herrsche: „Wir sind keine Mietnomaden, wir wohnen dort ganz normal. Wir zahlen Strom, Gas und Wasser – wie jeder andere. Wir wollen nichts abzocken, wir wollen einfach nur einen gerechten Mietvertrag,“ so Besetzerin Adriana. Den Mietvertrag fordern sie von der Käuferin des Gebäudes, die derzeit in London gemeldet ist und bei der die Wellen der Besetzung mittlerweile vor der eigenen Haustür angekommen sind. Aktivisten haben dort am Donnerstag eine Plakat-Aktion durchgeführt. Bilder davon finden mittels Beamer ihren Weg nach Heslach. „People in Stuttgart want to live their lifes in an neigbourhood they are used to, it could be so easy: Live and let live. There is no reason to be greedy“ ist auf den Plakaten zu lesen.
Der Unmut am Abend richtet sich aber nicht nur gegen die neuen Eigentümer des Hauses. Denn der Moderatorin des Abends, Ariane Raad, zufolge seien diese nach jüngsten Erkenntnissen, noch gar nicht im Grundbuch eingetragen, sondern lediglich vorgemerkt. Der derzeitige Besitzer sei demnach noch eine Immobiliengesellschaft mit Firmensitz in Stuttgart. „Zu deren Büro könnte man ja mal einen Spaziergang unternehmen. Das ist ja viel näher als London,“ so ein Kommentar aus dem Publikum.
Heftig Kritik muss an diesem Abend aber vor allem die Politik, die nach Meinung der meisten Anwesenden zu wenig gegen Wohnungsnot und für den sozialen Wohnungsbau in Stuttgart investiere, einstecken: „Herrn Kuhn geht das am Arsch vorbei. Dabei hat die Problematik schon vor zehn bis 15 Jahren begonnen. Nun hat sie auch die Mittelschicht erreicht,“ so eine Wortmeldung, die mit tosendem Applaus belohnt wird. Und selbst Besucher, die nicht persönlich von der Wohnungsnot betroffen sind, bekunden an diesem Abend ihre Solidarität mit den Besetzern: „Ich wohne in Stuttgart-West und mich beeindruckt sehr was die beiden Frauen da machen. Die Wohnungssuche in Stuttgart ist eine Katastrophe, das sehe ich bei vielen Freunden meiner Töchter. Ich hoffe wirklich, dass sich die Wohnungsbesitzer Gedanken machen,“ so eine Stuttgarterin am Ende des Abends.
Trotz aller Solidarität ist den Besetzern klar: Was sie tun ist nicht legal. Das Landgericht Stuttgart hatte den Eigentümern erst jüngst grünes Licht für eine Zwangsräumung gegeben. „Klar macht man sich auch manchmal Sorgen“, sagt die junge Mutter und Besetzerin Adriana auf Nachfrage zu ihrer Situation. Dennoch wolle sie für sich und ihre Familie weiter für das Recht auf Wohnraum kämpfen. „Was wir tun ist nicht legal, aber legitim,“ fügt sie später hinzu. Ein Ausspruch, der im Publikum viel Anklang findet.
Dass Wohnen in Stuttgart mehr kostet als anderswo, ist bekannt. Eine neue Auswertung zeigt jetzt aber, dass die schwäbische Metropole bei den Mietpreisen die bisher teuerste Stadt München eingeholt hat. Weiter zum Artikel in der Stuttgarter zeitung
Trotz Personalmangel und Wohnungsnot baut die Stadt seit Jahren Personalwohnungen am Klinikum ab. Von einst 1.590 Wohnungen für Pflegekräfte, Auszubildende, Reinigungskräfte und andere Beschäftigte waren Ende 2018 nur noch 870 übrig. Im Jahr 2024 sollen es nur noch 790 sein.
Im Prießnitzweg in Bad Cannstatt gibt es derzeit 358 Wohneinheiten: 115 Appartments, 234 Zimmer und 9 Wohnungen. Hier können um die 400 Menschen wohnen. Damit soll Schluss sein.
Alle Bewohner sollen bis Ende Juni 2019 ausziehen. Dann soll das Gebäude abgerissen und durch einen Neubau mit 268 Appartments, 25 Wohnungen und 107 Wohngemeinschaftszimmern in 36 Wohnungen ersetzt werden. Bisher gibt es keine Stellplätze für die Personalwohnungen. Da die Beschäftigten nah an ihrem Arbeitsplatz wohnen, haben sie meist kein Auto. Mit den Neubauten sollen 189 Stellplätze gebaut werden.
Für ein Zimmer bezahlen Auszubildende derzeit um die 100 Euro Warmmiete. Ein künftiges WG-Zimmer soll 351 Warmmiete kosten.
Ein Appartment kostet derzeit 11,25 Euro Warmmiete. Im Neubau soll es kalt mindestens 12,50 Euro kosten. Obendrauf kommen dann nach Angaben der SWSG mindestens 3,35 Euro Nebenkosten. D.h. die Warmmiete der Neubauten liegt bei mindestens 15,85 Euro pro Quadratmeter. Durch Subventionen durch das Klinikum soll die Kaltmiete eine zeitlang auf 10.63 Euro Kaltmiete reduziert werden. Wenn die SWSG einen Teil der neuen Wohneinheiten mit Stellplatz vermietet, wird die Miete um weitere 60 bis 70 Euro im Monat steigen.
Klinikumsbeschäftigte gehören bekanntlich nicht zu den Besserverdienenden. Eine Reinigungskraft hat 1.200 Euro netto. Für sie gibt es keine bezahlbaren Ersatzwohnungen in Stuttgart. Den Beschäftigten wird geraten, sie sollen aus Stuttgart rausziehen. Gleichzeitig wird von Ihnen verlangt, dass sie bei Rufbereitschaft in einer Stunde am Arbeitsplatz sind.
Gerade für Krankenhausbeschäftigte ist wegen der Schichtdienste und ständigen Noteinsätze wegen fehlendem Personal die Nähe zum Arbeitsplatz wichtig. Zeitaufwendige Wege nach zehn Stunden Nachtschicht sind unzumutbar und lassen beim Wechsel von Spät- auf Frühschicht keine ausreichenden Erholungszeiten zu. Wer übermüdet arbeitet, gefährdet sich selbst und Patienten. Deshalb dürfen die Personalwohnungen im Prießnitzweg nicht abgerissen werden. Sie müssen instandgehalten und wo nötig modernisiert werden. Architekt Kai Lanziner kommt zu dem Schluss, dass mit 10 Millionen Euro die Gebäude in einen Topzutand gebracht werden können ohne dass die Bewohner ausziehen müssen. Zusätzlich können durch eine Aufstockung der Gebäude und Anbauten zusätzliche Wohnungen für Krankenhauspersonal geschaffen werden.
Das lehnt die SWSG bislang ab. Sie will 45 Millionen Euro für den Abriss/Neubau sinnlos verbrennen und die Bewohner aus ihren Wohnungen vertreiben.
Beitrag in Regio-TV
https://www.regio-tv.de/video_video,-protest-gegen-abriss-_vidid,152909.html
Artikel von Jörg Nauke
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.print.2fbc3981-85a0-475b-a4d3-d41d677aca53.presentation.print.v2.html
Kommentar von Jörg Nauke “Der nächste Skandal am Klinikum” vom 3.2.2019
https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.print.2fbc3981-85a0-475b-a4d3-d41d677aca53.presentation.print.v2.html
Artikel von Jürgen Bock in den Stuttgarter Nachrichten
https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.streit-um-abriss-von-mitarbeiterwohnungen-in-stuttgart-vertreibt-die-stadt-ihr-pflegepersonal.4b75299c-b323-444e-a6be-495dc67e1182.html
Steigende Mieten sind kein Naturgesetz – auch in einer wachsenden Stadt wie Berlin nicht. Der Sozialwissenschaftler Andrej Holm, 48, erklärt, was in der Mietenpolitik möglich ist.
Herr Holm, Berlin steuert darauf zu, eine Stadt mit vier Millionen Einwohnern zu werden. Was muss sich tun, damit alle eine passende Wohnung bekommen? Reicht es, nur zu bauen?
Nein, bauen allein reicht nicht. Natürlich brauchen wir mehr Wohnungen, aber vor allem für Haushalte mit geringen Einkommen. Es gibt im Moment genügend hochpreisige Mietwohnungen und teure Eigentumswohnungen, aber an kleinen und leistbaren Wohnungen mangelt es.
Wie definieren Sie leistbare Wohnungen?
Der Begriff der Leistbarkeit besagt, dass Miete und Einkommen in einem vernünftigen Verhältnis stehen sollen. Sozialwissenschaftliche Studien zeigen, dass nicht mehr als 30 Prozent des Einkommens für die gesamten Wohnkosten ausgegeben werden sollen. Das praktizieren wir in Berlin schon in ganz kleinen Segmenten. Zum Beispiel bei den Mietzuschüssen im alten sozialen Wohnungsbau. Die 30-Prozent-Regel leitet sich daraus ab, dass Haushalten mit Einkommen, die knapp über den Schwellenwerten für Transfereinkommen liegen, genug Geld zum Leben bleibt. Und dass die Miete nicht die geringen Einkommen, etwa von Mindestlohnverdienern, auffrisst, sodass diese Sozialhilfe beantragen müssen.
Wie viele Wohnungen zu günstigen Mieten benötigt Berlin?
Unsere Analyse mit Daten des Mikrozensus von 2014 hat ergeben, dass in Berlin jeder fünfte Haushalt mehr als 40 Prozent des Einkommens für die Miete ausgeben muss. Das sind fast 400 000 Haushalte, die mehr zahlen, als sie ausgeben sollten. Die meisten benötigen Wohnungen, die ohne Betriebskosten nicht mehr als vier oder fünf Euro je Quadratmeter kosten sollten. Warum solche Wohnungen gebraucht werden, wird relativ schnell deutlich, wenn man sich ein Lehrlingsgehalt anschaut oder einen Mindestlohn, mit dem ein Haushalt nur 900 oder 1000 Euro verdient. Nach der 30-Prozent-Regel darf die Miete inklusive Betriebskosten 270 oder 300 Euro nicht übersteigen. Das sind Mieten, die es nur zu Quadratmeter-Preisen von vier oder fünf Euro kalt gibt. Da sehen wir, dass selbst der neue soziale Wohnungsbau mit Einstiegsmieten von 6,50 Euro je Quadratmeter diese Zielgruppe im Moment verfehlt. Also ausgerechnet diejenigen, die im Moment den dringendsten Bedarf haben.
Was muss sich ändern, um ausreichend preiswerte Wohnungen für Berlin zu bekommen?
Ein wichtiger Punkt wäre, einen radikalen Mietpreisschutz der noch preiswerten Wohnungen durchzusetzen. In Berlin gibt es noch etliche Wohnungen für 3,80 oder 4,20 Euro je Quadratmeter. Im Moment besteht die Gefahr, dass angesichts steigender Durchschnittsmieten viele Vermieter bei den sehr preiswerten Beständen die Miete auf Mietspiegel-Niveau erhöhen und sagen, das könne ja eigentlich keinem wehtun. Es tut aber weh. Es tut genau denjenigen weh, die diese geringen Mieten zahlen und ihr Leben darauf ausgerichtet haben. Ziel des Mieterschutzes muss also nicht nur sein, dass Mieter nicht verdrängt werden, sondern dass Mietpreise gehalten werden. Wohnungen, bei denen die Kredite bereits zurückgezahlt sind, müssen im Übrigen auch nicht teurer werden.
Welche Länder machen das besser?
Zum Beispiel Österreich. Dort gibt es soziale Wohnbau-Förderprogramme, die von gemeinnützigen Genossenschaften abgefragt werden. Die Förderprogramme haben eine ähnliche Struktur wie hier. Da werden Zuschüsse gezahlt und Darlehen. Dann werden die Darlehen zurückgezahlt, doch wenn die Förderphase nach 26 Jahren beendet ist, passiert das Gegenteil von dem, was hier passiert: Wenn in Berlin die Förderphase beendet ist, wird die Wohnung dem Markt übergeben und der Vermieter kann die Miete an den Mietspiegel anpassen – oder sogar darüber hinaus erhöhen.
Wie läuft das in Österreich?
Im System der Gemeinnützigkeit in Österreich sinkt die Miete in Wien nach Abschluss der Förderprogramme auf ein Niveau von 3,86 Euro pro Quadratmeter, ohne Betriebskosten. Das reicht für die notwendigen Ausgaben wie Verwaltungskosten oder eine erhöhte Instandhaltungspauschale. Die Miete ist auskömmlich, weil die Unternehmen gemeinnützig sind und einer Gewinnbeschränkung unterliegen. Angesichts der Angebotsmieten von elf oder zwölf Euro pro Quadratmeter, auf die wir in Berlin zusteuern, klingen solch günstige Mieten unrealistisch. Tatsächlich braucht man wohnungswirtschaftlich gesehen für eine abbezahlte Wohnung aber nicht mehr als vier Euro pro Quadratmeter. Das ist ein Denken, das selbst bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen und den Genossenschaften in Berlin noch nicht so stark ausgeprägt ist.
Was hindert uns in Deutschland daran, das Modell zu
importieren?
Es gibt in Österreich einen gravierenden Unterschied zur Situation hierzulande. Denn Österreich gehört zu den Ländern, die die Gemeinnützigkeit im Wohnbereich nicht abgeschafft haben. Gemeinnützigkeit im Wohnungsbereich bedeutet, dass auf der Unternehmensebene bestimmte Bewirtschaftungsmuster festgeschrieben sind.
Was ist in Deutschland anders?
In Berlin und in anderen Städten Deutschlands wird meist versucht, den sozialen Effekt der Wohnungsbewirtschaftung durch das Setzen von Rahmenbedingungen zu steigern. Hier sagt der Staat: Wir haben eine Mietpreisbremse, wir haben ein Milieuschutzgebiet mit bestimmten Auflagen, wir haben eine Zielvereinbarung mit den Wohnungsbaugesellschaften oder ein Förderprogramm, das für einen bestimmten Zeitraum irgendetwas bewirken soll. Wir versuchen also immer von außen an eine scheinbar unbändige Bewirtschaftungskraft heranzutreten und diese einzugrenzen. In Ländern mit einer Wohnungsgemeinnützigkeit, zu denen auch noch die Niederlande gehören, sind diese Ziele auf der Unternehmensebene festgelegt. Da gibt es gar keine Diskussionen darüber, dass man keine unlauteren Überschüsse erzielen soll, weil bei jeder Prüfung nachgewiesen werden muss, dass man nicht Geld eingenommen hat, das man für die Bewirtschaftung nicht braucht. Nötig wäre, die Gemeinnützigkeit im Wohnbereich wieder einzuführen. In der Kulturarbeit, der Jugendarbeit und im Sport gibt es sie ja heute noch. Es ist also nicht so, dass man in Deutschland das Prinzip der Gemeinnützigkeit nicht kennen würde.
Welche Widerstände gibt es gegen die Einführung im Wohnbereich?
Es fehlt vor allem eine Mehrheit im Bundestag. Die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen können nur auf der Bundesebene festgeschrieben werden. Auch die Wohnungswirtschaft sträubt sich gegen die Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit. Es gibt zwar Diskussionen, doch scheitern diese im Moment auch an den großen Neubauanforderungen, die beispielsweise an die Wohnungsbaugesellschaften gestellt werden. Die Unternehmen argumentieren, sie könnten nicht überall Einnahmen einsparen, wenn sie gleichzeitig Überschüsse nutzen sollen, um Neubauprogramme zu stemmen. Da beißen sich zwei wohnungspolitische Anforderungen.
Wie sollte umgesteuert werden?
Man müsste bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften in Berlin die Kriterien für den Erfolg ändern. Im Moment ist deutlich, dass das Kriterium für den Erfolg die Anzahl der neu gebauten Wohnungen ist. Man könnte dies um ein zweites Kriterium ergänzen, in dem ein möglichst hoher Anteil geförderter Wohnungen verlangt wird. In der Konsequenz müsste man schließlich sagen, der Erfolg einer sozial orientierten Wohnungspolitik misst sich daran, ob es in einem bestimmten Zeitraum gelingt, die Gesamtzahl der leistbaren Wohnungen zu erhöhen. Wenn man sich dieses Ziel steckt, ist es kontraproduktiv, Mietsteigerungen in bisher sehr günstigen Wohnungen durchzusetzen, um mit den Einnahmen teure Neubauten auf ein halbwegs leistbares Mietniveau herunterzusubventionieren. Das ist aber eine umstrittene Diskussion, weil sich die Herausforderungen nicht auf dieses eine Ziel fokussieren lassen.
Sondern?
Nur über Neubauzahlen zu reden, ist zu kurz gegriffen, aber genauso richtig ist: Nur über die Mietpreise zu reden ist auch zu kurz gegriffen, weil wir auch mehr Wohnungen brauchen. Die Diskussionen zum Stadtentwicklungsplan Wohnen haben da einen ganz guten Weg gefunden. Von den rund 200 000 Wohnungen, die bis 2030 gebaut werden, soll die Hälfte von gemeinwohlorientierten Bauträgern errichtet werden und nicht mehr als 6,50 Euro je Quadratmeter kosten.
Die Genossenschaften in Berlin haben Mieten, die unter denen der landeseigenen Unternehmen liegen. Was machen die Genossenschaften anders?
Genossenschaften sind den Interessen ihrer Mitglieder verpflichtet. So müssen sie die Wohnungen bewirtschaften. Und es ist meist nicht im Interesse der Bewohnerschaft, höhere Mieten zu zahlen. Was die Genossenschaften von den landeseigenen Unternehmen unterscheidet, ist, dass sich die soziale Verantwortung auf die Mitglieder der Genossenschaft beschränkt. Genossenschaften sind nicht verpflichtet, etwa Wohnungen für Familien aus Syrien, die als anerkannte Flüchtlinge hier leben, zu vergeben. Aber interessant ist, dass die Mietentwicklungen bei den Genossenschaften relativ deutlich zeigen, dass sich eine auf Unternehmensebene erfolgte Festschreibung von Bewirtschaftungsgrenzen langfristig auswirkt. Insoweit sind sie ein Beispiel dafür, dass das Prinzip richtig ist, das hinter der Gemeinnützigkeit steht.
Was müsste in Berlin noch konkret getan werden, um vier Millionen Einwohner angemessen zu versorgen?
Ich glaube, dass relativ viel von dem, was nötig ist, seit zwei Jahren rot-rot-grüner Regierung versucht wird. Der Mietpreisschutz ist das A und O. Nötig ist außerdem, den Milieuschutz räumlich auszuweiten. Das ist in den letzten Jahren schon deutlich geschehen. Das kann man immer noch ein Stückchen weiter treiben. Das gilt auch für den Anteil von Sozialwohnungen bei privaten Bauprojekten. Schon jetzt stöhnen die Eigentümer, wenn sie einen Anteil von 30 Prozent Sozialwohnungen errichten sollen. Eigentlich müssten wir angesichts der Versorgungsverhältnisse viel mehr sozialen Wohnungsbau errichten. Das wird zum Teil in Städten wie Wien praktiziert, wenn wir jetzt noch mal nach Österreich schauen.
Und wie wird das dort gemacht?
In Wien werden bei der Ausweisung neuer Baugebiete die Grundstückspreise durch einen sogenannten Widmungspreis auf einem niedrigen Niveau festgeschrieben. Wenn dort Sozialwohnungen entstehen sollen, wird zugleich festgelegt, dass der Preis des Grundstücks nicht über ein bestimmtes Maß steigen kann, damit der Bau der Sozialwohnungen mit der Förderung noch zu finanzieren ist. In Berlin lassen sich mit den gängigen Förderprogrammen und der spekulativen Grundstückspreisentwicklung im Prinzip keine leistbaren Wohnungen mehr errichten. Die Förderprogramme orientieren sich in der Regel an der Refinanzierung der Baukosten. Nötig ist deswegen, auch hier den Anstieg der Bodenpreise zu begrenzen, um preiswerten Wohnungsbau möglich zu machen. Die Bodenfrage ist eine entscheidende Frage für das soziale Wohnen in der Stadt.
Hier die Mitteilung und Presseerklärung vom Mietentscheid Bündnis vom 30. Januar 2020:
Seit 84 Tagen warten wir auf eine Kostenauskunft zu unserer Anfrage. Seit zwei Wochen erhalten wir zudem keine Reaktion auf unsere Nachfrage, wann mit einer Beantwortung gerechnet werden kann. Das ist für uns nichts anderes als eine Auskunftsverweigerung und Verschleppung unserer Anfrage!
…
Hier unsere Pressemitteilung von Heute:
Nach der baden-württembergischen Gemeindeordnung ist die Gemeinde verpflichtet, „zur Erstellung des Kostendeckungsvorschlags Auskünfte zur Sach- und Rechtslage“ zu geben. Seit dem 7. November vergangenen Jahres liegen dem Oberbürgermeister Fritz Kuhn die Forderungen vor mit der Bitte, dem Bündnis bis zum 21. November 2019 Informationen über die zu erwartenden Kosten zu geben. Drei Wochen später, am 27. November 2019 erhielt das Bündnis eine Eingangsbestätigung von der Stadtdirektorin mit dem Hinweis, dass die Anfrage an die zuständigen Ämter weitergeleitet wurde, eine Beantwortung bis zum 21.11.2019 aufgrund der Haushaltsberatungen jedoch nicht möglich war.
„Wir haben Verständnis für eine zeitweilige Verzögerung der Beantwortung aufgrund intensiver Haushaltsberatungen und Feiertage“, sagt Britta Mösinger, Bündnissprecherin vom Mietentscheid Stuttgart. „Das rechtfertigt jedoch keine Wartezeit von bisher 84 Tagen, wodurch wir als BürgerInneninitiative im weiteren Verfahren blockiert sind“. Das Bündnis ist auf die Kostenauskunft der Stadt angewiesen, um einen fundierten Kostendeckungsvorschlag auszuarbeiten.
Am 13. Januar 2020 hakten die Stellvertreter des Zusammenschlusses bei der Stadtdirektorin und Oberbürgermeister Kuhn erneut nach und baten um eine Mitteilung, wann das Bündnis eine Antwort auf die Anfrage erhalten werde, bzw. wann damit gerechnet werden könne. Seitdem ist nichts geschehen und dem Bündnis liegt weiterhin keine Auskunft vor.
Susanne Bödecker, Mitinitiatorin vom Mietentscheid kommentiert das Vorgehen der Stadtverwaltung folgend: „Ein Ernstnehmen von Bürgerinitiativen geht anders“. Wir warten seit zwei Wochen auf eine Reaktion, wann mit einer Antwort gerechnet werden kann. Das ist ein Unding.“
Die Stadtverwaltung muss ihrer Verpflichtung nachkommen. „Wir fordern von OB Kuhn und der Stadtverwaltung eine zügige Beantwortung unserer Anfrage und eine Kommunikation auf Augenhöhe“, sagt Britta Mösinger.
Bundesweit werden gerade Initiativen von BürgerInnen für bezahlbares Wohnen hingehalten und blockiert. In Berlin wartet das Bündnis „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ seit 207 Tagen auf eine Entscheidung von Senator Geisel, ob das Volksbegehren zulässig ist. Das Bündnis Mietentscheid Frankfurt hat inzwischen sogar eine Klage gegen die Stadt Frankfurt eingereicht, weil die Prüfungen in Senat und Magistrat seit einem Jahr ergebnislos andauern.
Während das Bündnis in Stuttgart auf die Kostenauskunft wartet, ist die Planung der Unterschriftensammlung im Frühjahr nun einer der anstehenden Aufgaben. Der Unterstützerkreis vom Mietentscheid Stuttgart ist derweil auf 27 Organisationen, Vereine und Parteien angewachsen.