Besetzte Wohnungen in Stuttgart: Offener Brief an Eigentümer

Das BesetzerInnen-Kollektiv der Wilhelm-Raabe-Str. 4 richtet sich nun mit einem offenen Brief an die Eigentümer. Damit ist klar: Die BesetzerInnen sind gesprächsbereit und wollen sich an den Verhandlungstisch setzten – die Eigentümer bis dato nicht. Hinzu kommt, dass die BesetzerInnen aktuell keine direkt Möglichkeit einer direkten Kontaktaufnahme haben, da nur eine Postadresse in London bekannt ist.

Sehr geehrte Familie Passy,

leider können wir Sie nicht direkt kontaktieren – niemand hat eine Telefonnummer oder Emailadresse von Ihnen, wir verfügen lediglich über Ihre Postadresse in London. Nichteinmal die langjährigen Mieter des Hauses konnten uns dabei weiterhelfen. Daher senden wir ihnen diesen Brief auf Postwegen zu – da dies nach England aber dauert und es ja unbestreitbar ein allgemeines Interesse an unserem Anliegen gibt, veröffentlichen wir diesen Brief auch.

Wir besetzen Ihre Wohnungen in der Wilhelm-Raabe-Straße 4 nicht nur um ein symbolisches Zeichen zu setzen, sondern vor allem weil es schlicht notwendig ist, sozialverträglichen Wohnraum zu schaffen. Es gibt in Stuttgart kaum noch bezahlbare Wohnungen, die Preise steigen konstant und viele Menschen sind von Räumungen bedroht, wenn nicht gar schon ohne Wohnung. Wir wollen dem nicht länger schweigend zusehen. Der Fall von Rosevita Thomas und der Kleinfamilie ist kein Einzelfall, es gibt alleine in Stuttgart Tausende andere.

Bei dem bislang einzigen Gesprächen mit einer von Ihnen und der Vertreterin der Verwaltungsfirma am Montag haben Sie und ihre Vertretung sich widersprochen:

Einerseits Mieterhöhungen nach Grundsanierung, andererseits keine Sanierungen, dann wieder nur Streichen (einer bereits frisch gestrichenen Wohnung)?!

Laut der Vertreterin Ihrer Verwaltungsfirma soll morgen, am 1. Mai, eine andere Alleinerziehende mit Kind einziehen – aber dann auf einmal ist sie nur eine Mietinteressentin?! Die für sie geplante Wohnung sollte angeblich am Samstag renoviert werden, was wegen unserer Besetzung nun aber nicht stattgefunden hätte. Uns drängt sich die Frage auf, wann am Samstag Sie die bereits frisch gestrichene Wohnung denn streichen lassen wollten – abends um 20 Uhr? Wir waren erst um 17 Uhr in den Wohnungen und laufende Streicharbeiten wären uns sicherlich aufgefallen! Wenn der Einzug der Frau mit Kind wirklich unmittelbar bevorsteht, warum ist sie dann nicht bereits auf uns zugekommen? Wir wären die letzten, die Menschen den Wohnraum verwehren, den sie benötigen.

Die Liste ließe sich weiter fortführen, aber wir wollen auf den Punkt kommen: Wir werden uns nicht hinters Licht führen lassen und erst recht nicht gegen andere Menschen, die auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind, ausspielen! Wenn es diese Alleinerziehende tatsächlich gibt, dann kommen Sie mit ihr vorbei und wir freuen uns, die neue Bewohnerin kennen zu lernen! Wenn es Sie nicht gibt, dann vermieten Sie die Wohnungen sozialverträglich an Rosevita Thomas und die Kleinfamilie!

Wir fordern Sie daher auf mit uns zu verhandeln. Wir wollen:

– dass die beiden Wohnungen zu sozialverträglichen Mieten an die Kleinfamilie und Rosevita Thomas vermietet werden

– dass die Mieterinnen und Mieter die bereits in dem Haus wohnen zu gleichbleibenden Mieten wohnen bleiben können.

Notwendige kleinere Renovierungs- und Sanierungsarbeiten übernehmen wir natürlich selbst.

Dass Sie über die Verwaltungsfirma ein bereits in Aussicht gestelltes Gespräch wieder abgesagt haben betrachten wir als respektlos gegenüber den Bedürfnissen von Rosevita Thomas, ihrem Sohn und der kleinen Familie. Die wohl von Ihnen gestellte Strafanzeige und das angekündigte einschalten von Anwälten sehen wir als Weigerung mit uns zu sprechen und haben dafür kein Verständnis. Wenn wir eine einvernehmliche Lösung finden wollen, müssen wir mit Ihnen sprechen, nicht mit Anwälten oder Verwaltungsfirmen.

Setzen Sie sich mit uns zwecks einer Terminvereinbarung in Verbindung und veranlassen Sie, dass die Strafanzeige zurückgezogen wird.

Es grüßt

Leerstand beleben!

BesetzerInnenkollektiv Wilhelm-Raabe-Straße 4

Offener Brief als PDF

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